Gesundheitswesen 2012; 74 - A45
DOI: 10.1055/s-0032-1322031

Starke regionale Disparitäten im Rauchverhalten zwischen Ländern und Kommunen im Mikrozensus 2009

A Hollederer 1
  • 1Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Erlangen

Einleitung: Die „globale Tabakepidemie“ belastet durch die sehr hohen Krankheitskosten massiv die Gesundheitssysteme. Das Rauchen ist eine der Hauptursachen von vermeidbarer Morbidität. Die Tabakkontrollpolitik hat einen signifikanten Einfluss auf das Rauchverhalten und kommt in Deutschland regional mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran. Die WHO-Tabakkontrollpolitik sieht verschiedene Schlüsselstrategien zur Reduktion des Tabakgebrauchs vor, wobei das Monitoring eine Voraussetzung ist, um den Erfolg der anderen Strategien abzusichern. Ein gutes Monitoring liefert Informationen über das Ausmaß des Tabakgebrauchs, damit die Tabakkontrollpolitiken auf die speziellen regionalen Bedürfnisse zugeschnitten werden können. Für die Bundesländer ist der Mikrozensus eine der wichtigsten Datenquellen zum Tabakkonsumverhalten, da die anderen Informationssysteme der Gesundheitsberichterstattung nur selten nach den Ländern spezifizieren. Die Ergebnisse im Mikrozensus können auch nach den Kreisen zumindest in NRW ausgewiesen werden. Abgesehen von wenigen kommunalen Gesundheitssurveys liegen auf Kreisebene ansonsten überhaupt keine systematischen Erhebungen der Tabakkonsummuster vor.

Daten/Methode: Der Mikrozensus 2009 stellt eine amtliche dezentrale Haushaltsbefragung dar und ermöglicht regionalisierte Ergebnisse mit einem Auswahlansatz von ca. 1% der Bevölkerung. Das Hauptprogramm ist per Mikrozensusgesetz auskunftspflichtig. Die fakultativen Fragen zu Rauchgewohnheiten im Gesundheitsprogramm beantworten ca. vier Fünftel der Interviewpersonen. Die Auswertungen für die Kreise wurden mit dem Mikrozensus Originaldatensatz für NRW durchgeführt, in den über 146.187 erfolgte Interviews eingehen.

Ergebnisse: Nach dem Mikrozensus 2009 rauchen in Deutschland ca. ein Drittel der Männer und fast ein Viertel der Frauen (im Alter von mindestens 15 Jahren). Die Tabakprävalenzraten unterscheiden sich aber zwischen den Bundesländern erheblich. Auswertungen mit dem Originaldatensatz für NRW zeigen, dass sowohl die Tabakprävalenz als auch die Exraucherquoten zwischen den Kreisen stark variieren. Die Tabakprävalenz korreliert mit sozialen Einflussfaktoren. Auf Kreisebene steigt in NRW die Tabakprävalenzrate hochgradig mit dem Anteil in der Erwerbsbevölkerung, der seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Arbeitslosengeld I oder „Hartz IV“ abdeckt.

Fazit: Der Mikrozensus eignet sich sehr gut für vergleichende Untersuchungen zwischen Bund, Ländern und Kreisen und ermöglicht ein übergreifendes Monitoring der Tabakkonsummuster. Die im Mikrozensus 2009 festgestellten Disparitäten bei den Tabakprävalenzraten sind sowohl zwischen den Bundesländern als auch zwischen den Kreisen in NRW außerordentlich hoch. Die Assoziationen zwischen Tabakprävalenz und sozioökonomischen Einflussfaktoren werden nicht nur auf der Mikroebene, sondern auch aggregiert für die Kreise bestätigt. Die Tabakabhängigkeit verschärft die gesundheitliche Ungleichheit. Die Ergebnisse erfordern regionalspezifische Tabakkontrollpolitiken und eine systematische kleinräumige Gesundheitsberichterstattung, die sich am Monitoring der WHO für die Nationalstaaten orientiert. Spätere Wiederholungsbefragungen im Mikrozensus könnten für die Erfolgsbeurteilung populationsbezogener Nichtraucherpolitiken genutzt werden. Die Analysen zeigen einen hohen Handlungsbedarf für Verhältnis- und Verhaltensprävention und komplexe gemeinwesenorientierte Interventionen auf.

Literatur:

Hollederer, A. (2012). Regionale und soziale Unterschiede im Tabakkonsumverhalten im Mikrozensus 2009: Ergebnisse für das Land Nordrhein-Westfalen und dessen Kreise. Das Gesundheitswesen (im Druck)

Hollederer, A. (2012). Gesundheit und Krankheit in Bund, Land NRW und dessen Kommunen. Ergebnisse des Mikrozensus 2009. Bundesgesundheitsbl 55:416–426.