Gesundheitswesen 2012; 74 - A20
DOI: 10.1055/s-0032-1322006

Die Versorgung der genetisch bedingten Nichtanlage bleibender Zähne mit enossalen Implantaten – Ein Fallbericht aus der sozialmedizinischen Begutachtung

L Buff 1, O Meny 1, C Baulig 2
  • 1Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, Alzey
  • 2Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, Mainz

Die Versorgung mit enossalen Implantaten stellt in der Regel keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland dar. Für besonders schwere Fälle hat der Gesetzgeber im §28 SGB V jedoch Ausnahmeindikationen (AI) definiert, zu denen insbesondere die generalisierte genetisch bedingte Nichtanlage von Zähnen (NA) gehört.

Bei insgesamt 41 im Zeitraum zwischen 10/2005 und 10/2010 erstellten sozialmedizinischen Erstgutachten des MDK Rheinland-Pfalz (w: 28, m: 13 Versicherte, 13 bis 51 Jahre (Median: 18 Jahre) bestanden im Median sechs NA bleibender Zähne (Min 1, Max 25). Im Bereich des Oberkiefers lag die Zahl der NA zwischen 0 und 12 (Median: 3), im Unterkiefer fanden sich zwischen 0 und 13 NA (Median: 2). Bei neun Versicherten fehlten lediglich ein oder zwei Zähne (17,6%). Drei Versicherte zeigten 10 bzw. 12 NA im OK resp. UK, ein Versicherter 12 bzw. 13 NA im OK rsp. UK.

In sechs Fällen (14,6%) konnte eine implantatgetragene Versorgung nachvollzogen und sozialmedizinisch empfohlen werden. Die Anzahl der als notwendig erachteten Implantate lag bei diesen zwischen vier und zwölf (Median=6). Beantragt worden waren Versorgungen auf zwei bis 12 Implantaten (Median=8).

Fallbeispiel: Bei einer 16-jährigen Versicherten waren im Oberkiefer sechs bleibende Zähne (18, 15, 14, 24, 25, 28), im Unterkiefer 10 Zähne (38, 35, 34, 33, 32, 42, 43, 44, 45 und 48) genetisch bedingt nicht angelegt. Von Seiten des zahnärztlichen Behandlers war für den Unterkiefer die Insertion von sechs enossalen Implantaten (in regio 35, 34, 32, 42, 43 und 45) zur Verankerung zweier festsitzenden rein implantatgetragenen Brücken (regio 35 bis 32 sowie regio 42 bis 45) als 100%ige Sachleistung im Rahmen des §28 SGB V beantragt worden. Diese Versorgung wurde als medizinisch notwendig, sinnvoll und zweckmäßig befürwortet.

Die beantragten Ausnahmefälle für eine Implantatversorgung erscheinen durch das meist jugendliche Alter der Patienten getriggert. Die angestrebten Versorgungen mit Implantaten können unter zahnmedizinischen Gesichtspunkten zwar als „optimal“ angesehen werden, werden jedoch durch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§12 SGB V) eingeschränkt. Dadurch muss bei der sozialmedizinischen Begutachtung der genetischen Nichtanlage grundsätzlich, neben der Anzahl fehlender bleibender Zähne, die Möglichkeit einer konventionellen prothetischen Versorgung berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fallbeispiel wurde die Möglichkeit einer konventionelle prothetische Versorgung (festsitzende Brückenversorgung auf der Restbezahnung oder herausnehmbare Prothese) aufgrund der ungünstigen Pfeilermorphologie von gutachterlicher Seite verneint. Obwohl die ursprünglich von Behandlerseite geplante Implantatanzahl als medizinisch notwendig befürwortet worden war, wurden aufgrund des eingeschränkten lokalen Knochenangebotes nur fünf Implantate inseriert. Trotzdem konnte dadurch eine klinisch suffiziente rein implantatgetragene prothetische Versorgung der jugendlichen Patientin ermöglicht werden.