Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - P_109
DOI: 10.1055/s-0032-1314606

Typ1 oder Typ 2 Diabetes – eine differenzialdiagnostische Herausforderung in der pädiatrischen Diabetologie

N Datz 1, K Schnell 1, T Biester 1, C Tsioli 1, W von Schütz 1, T Danne 1, O Kordonouri 1
  • 1Auf der Bult, Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche, Hannover, Germany

Hintergrund: Die Diagnose Typ 2 Diabetes (T2D) ist im Kindes- und Jugendalter selten. Die DPV Daten zeigen jedoch eine zunehmende Prävalenz von 0,48% in 2000 auf 0,96% in 2011. Warum die Diagnosestellung trotz großer Erfahrung nicht immer einfach und die Abgrenzung zum Typ 1 Diabetes (T1D) schwierig sein kann, soll anhand zweier Kasuistiken erläutert werden.

Patienten: Es erfolgt die Vorstellung zweier Jugendlicher mit auffällig ähnlichem Phänotyp und doch unterschiedlicher Diagnose.

1. Fall: 16-jähriger Junge, Adipositas per magna (Gewicht 107kg, Länge 175cm, BMI 34,9kg/m2, BMI-SDS +3,15) seit 6 Jahren Diagnose T2D, Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie Glimepirid seit 1 Jahr (schlechte Compliance), Ritalin bei bekanntem ADHS, Computerspielsucht, 10. Klasse Hauptschule; Familienanamnese: Mutter T2D; Laborbefunde: HbA1c>14%, Glukosurie und Ketonurie, C-Peptid 0,49µg/l (erniedrigt), BZ 372mg/dl, pH 7,38, Hypercholesterinämie. Klinischer Status: Striae distensae, Gynäkomastie.

2. Fall: 16-jähriger Junge, Adipositas per magna (Gewicht 105,3kg, Länge 158cm;, BMI 42kg/m2, BMI-SDS +3,76). Diabetesmanifestation mit Ketoazidose, 20kg Gewichtsverlust in 3 Monaten, Polydypsie, Computer-Spielsucht, 10. Klasse Realschule; Familienanamnese: leer für DM; Laborbefunde: HbA1c >14%, BZ 676mg/dl, pH 7,24; Glukosurie und Ketonurie, Transaminasenerhöhung, Hypercholesterinämie, Hyperurikämie. Klinischer Status: Acanthosis nigricans, trockene Haut, Hepatomegalie, Gynäkomastie.

Verlauf und Ergebnisse:

1. Fall: Initial erfolgte eine intravenöse (i.v.) Insulingabe zur Bedarfsermittlung und anschließend Beginn einer intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT). Begleitend Gabe von Metformin bei V.a. T2D. Wegen des niedrigen C-Peptids erfolgte die Bestimmung der diabetesspezifischen Antikörper mit dem positiven Nachweis von GADA-, IA2A- und ZnT8cArg-AK. Die ursprüngliche Diagnose T2D wurde durch die Diagnose T1D verändert. Die ICT wurde fortgeführt, eine Gewichtsabnahme erfolgte bei mangelnder Compliance des Patienten nicht. Aktueller HbA1c 10,0%.

2. Fall: Initial erfolgte eine i.v. Insulintherapie, im Anschluss Beginn mit einer ICT und zusätzlich Metformin wegen klinischer Insulinresistenz. Noch stationär konnte die Insulinmenge rasch reduziert und sogar abgesetzt werden. Unter Metformin kam es innerhalb von 4 Monaten zur Normalisierung des HbA1c auf 5,8% bei einer Gewichtsreduktion mit einem BMI von 34,1kg/m2 (BMI-SDS +3,05). Die diabetespezifischen Antikörper waren negativ. Nach Verdacht auf T1D Änderung der Diagnose in T2D. Aktueller HbA1c 5,0%.

Schlussfolgerung: Die Diagnose Typ 1 oder Typ 2 Diabetes kann nicht eindeutig aufgrund der klassischen Parameter (Autoantikörper, C-Peptid, Familienanamnese, ethnische Zugehörigkeit, Adipositas, Folgeerkrankungen, Insulinresistenzzeichen) gestellt werden. Erst die Kombination und differenzialdiagnostische Betrachtung der klinischen und laborchemischen Parameter sowie der weitere Verlauf führen zur richtigen Diagnose.