Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - P_107
DOI: 10.1055/s-0032-1314604

Gestationsdiabetes in Industrienationen: Ein systematischer Review zur epidemiologischen Datenlage

S Schneider 1, C Bock 1, M Wetzel 1, A Loerbroks 1
  • 1Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health (MIPH), Mannheim, Germany

Fragestellung: Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 15.12.2011 die bundesweite Einführung eines Screenings auf Gestationsdiabetes beschlossen. Vorbehaltlich der Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit wird ein Screening auf Gestationsdiabetes somit in die Mutterschafts-Richtlinien aufgenommen. Im Zuge dieser weitreichenden Maßnahme sind in den nächsten Jahren validere Daten zur Prävalenz des Gestationsdiabetes zu erwarten. Ziel des hier vorgelegten systematischen Literaturreviews war es, flankierend den aktuellen internationalen Forschungsstand zur Häufigkeit des Gestationsdiabetes in den übrigen Industrienationen zusammenzufassen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Bedeutung unterschiedlicher Studiendesigns, Datenquellen und Diagnosekriterien für künftige Prävalenzvergleiche gelegt.

Methodik: In Anlehnung an das PRISMA-Statement wurden sämtliche im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 28.02.2011 veröffentlichten englisch- und deutschsprachigen Originalia berücksichtigt, welche die Prävalenz des Gestationsdiabetes als Hauptfragestellung analysierten und in der Literaturdatenbank PubMed/Medline verzeichnet waren. Alle identifizierten Studien wurden durch zwei Rater unabhängig und parallel bewertet. Die Inter-Rater-Reliabilität wurde standardgemäß mittels Cohen's Kappa (k) bestimmt. Es zeigte sich mit Werten zwischen k=0,61, k=0,73 und k=0,90 eine gute bis sehr gute Übereinstimmung. Die anfänglich 882 Treffer wurden in einem mehrstufigen Verfahren auf 27 Originalstudien reduziert.

Ergebnisse: Die Prävalenz des Gestationsdiabetes variiert in den Industrienationen zwischen 1,7% und 10,7%. Selbstangaben der Schwangeren führen zu höheren Prävalenzschätzern als eine Auswertung ärztlicher Diagnosen. Zwei Studien, bei denen für die selbe Schwangere jeweils beide Angaben vorlagen, zeigten Prävalenzen zwischen 9,0% und 8,7% bei Selbstauskunft versus jeweils 4,8% bei ärztlich validierten und zentral registrierten Diagnosen, was Abweichungen von 4,2%- bzw. 3,9%-Punkten gleichkommt. Des Weiteren lagen die Prävalenzen in Südeuropa tendenziell höher (nämlich zwischen 3,3% und 11,3%) als in Nord- und Mitteleuropa (zwischen 1,7% und 3,6%). Daten von anderen Kontinenten (Australien und Nordamerika) bewegten sich mit 2,5% bis 8,7% innerhalb jener Spanne.

Schlussfolgerungen: Dieser systematische Review erlaubt einen aktuellen, umfassenden und kompakten Überblick über die Datenlage zur Prävalenz des Gestationsdiabetes in Industrienationen. Die Arbeit zeigt zudem auf, welche methodischen Aspekte (wie die Heterogenität der Studienkollektive und der Studiendesigns) bei deren Interpretation zu beachten sind. Innerhalb der gefundenen Studien geben Analysen zu zeitlichen Trends und demografischen Risikogruppen wichtige Hinweise für die zielgruppengerechte Konzeption künftiger Interventionen hierzulande.