Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - P_26
DOI: 10.1055/s-0032-1314523

De novo-Mutation im INS-Gen als Ursache eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus bei mehreren Mitgliedern einer Familie

K Schnell 1, T Biester 1, C Tsioli 1, N Datz 1, S Ellard 2, T Danne 1, O Kordonouri 1
  • 1Auf der Bult, Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche, Hannover, Germany
  • 2Peninsula Medical School, Institute of Biomedical and Clinical Science, Exeter, United Kingdom

Einleitung: In einer Familie kam es zu gehäuftem Auftreten eines bereits im Säuglingsalter manifestierten Diabetes mellitus. Über Ursache und Entstehung dieser seltenen Diabetesform ist bisher nur wenig bekannt. Durch systematische genetische Untersuchung konnte ein seltener Gendefekt in der Familie erstmalig nachgewiesen werden.

Fallvorstellung: Der erste Sohn der Familie wurde im Alter von 2 8/12 Jahren erstmals vorgestellt, da er seit seinem 12. Lebensmonat auf Grund eines Diabetes mit intensivierter konventioneller Insulintherapie (0,40 IE/kgKG/Tag) behandelt wurde. Er war normal entwickelt und hatte einen HbA1c von 6,5%. Die Mutter hatte seit ihrem 3. Lebensmonat einen ebenso mit Insulin behandelten Diabetes (Insulinpumpe, Insulin 0,48 IE/kgKG/Tag), der HbA1c lag bei 8,9%. Bei ihr bestanden außerdem eine Hypercholesterinämie und eine Adipositas.

Aufgrund der auffälligen Familienanamnese wurde bei Mutter und Sohn eine molekulargenetische Untersuchung veranlasst, beim Sohn zusätzlich die Bestimmung von C-Peptid und diabetesspezifischen Antikörpern. Bis auf eine gestörte Glukosetoleranz bei der Großmutter mütterlicherseits war die weitere Familienanamnese unauffällig.

Ergebnisse: C-Peptid und Antikörper waren beim jungen Patienten negativ. Die molekulargenetische Untersuchung schloss eine Mutation im KIR6.2- und SUR1-kodierenden Gen aus. In der Sequenzierung des INS Exon 1–3 (Insulin-Gen) fand sich bei beiden Patienten eine Punktmutation c.265C>T, die bis dahin noch nicht als ursächlich für einen Diabetes beschrieben worden war. Die Untersuchung der Großeltern mütterlicherseits war unauffällig. Im weiteren Verlauf bekam die Mutter mit einem neuen Partner einen zweiten Sohn. Auch dieser entwickelte im Alter von 4 Monaten Hyperglykämien, die seit dem 6. Lebensmonat eine Insulintherapie notwendig machten und bei dem ebenso die o.g. Mutation nachgewiesen wurde.

Diskussion: In unserer Familie ist davon auszugehen, dass die Ursache für den Diabetes eine de novo-Mutation im INS-Gen bei der Mutter ist. Bei allen betroffenen Familienmitgliedern manifestierte sich der Diabetes innerhalb des ersten Lebensjahres, die metabolische Ausprägung und der Insulinbedarf waren jedoch variabel. Man vermutet, dass es durch die o.g. Mutation zu einer Zerstörung der Sekundärstruktur („folding“) des Proinsulin-Moleküls kommt und daraus eine Fehlfaltung des Proteins oder eine Retention des Proteins im Endoplasmischen Reticulum (ER) resultiert. Dies verursacht ER-Stress und β-Zell-Apoptose und somit einen irreversiblen Insulinmangel, der substituiert werden muss.

Eine rechtzeitige molekulargenetische Abklärung bei familiär gehäuft auftretendem Diabetes, insbesondere während der ersten Lebensmonate, kann zur Entdeckung einer monogenetischen Form der Erkrankung führen und entsprechende Sensibilisierung der Familie bewirken. Dadurch wiederum kann eine Früherkennung von Stoffwechselentgleisungen erreicht werden.