Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - FV_49
DOI: 10.1055/s-0032-1314481

Kurzkettige Fettsäuren und neutrophile Granulozyten in der Pathogenese des Typ 1 Diabetes

MH Harsunen 1, S Hummel 1, 2, G Joslowski 3, A von Meyer 4, A Wosch 1, C Ramminger 1, 2, M Pflüger 1, 2, AG Ziegler 1, 2
  • 1Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, und Forschergruppe Diabetes, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, Neuherberg, Germany
  • 2Forschergruppe Diabetes e.V., Neuherberg, Germany
  • 3Forschungsinstitut für Kinderernährung, Dortmund, Germany
  • 4Department Klinische Chemie, Medizinisches Dienstleistungszentrum, Städtisches Klinikum München GmbH, München, Germany

Fragestellung: Die kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Propionat und Butyrat enstehen durch Fermentation wasserlöslicher Ballaststoffe im Darm und haben immunregulatorische Eigenschaften. Über GPR43-Rezeptoren der Neutrophilen beeinflussen sie die Produktion proinflammatorischer Mediatoren und die Chemotaxis dieser Zellen. Neue Daten sprechen dafür, dass frühkindliche Nahrungsfaktoren und die mikrobielle Darmflora bei der Entstehung von Inselautoimmunität und T1D eine Rolle spielen. Ziel der Arbeit war es zu untersuchen, ob sich der Gehalt wasserlöslicher Ballaststoffe in der Nahrung zwischen Kindern mit und ohne Inselautoimmunität/T1D unterscheidet, und ob Personen mit T1D veränderte Neutrophilenzahlen aufweisen.

Methodik: Für die Analyse der Aufnahme löslicher Ballaststoffe wurden 448 3-Tages-Ernährungsprotokolle von 134 Kindern der BABYDIÄT-Studie ausgewertet, die bis zum 3. Lebensjahr alle 3 Monate geführt wurden. 26 Kinder entwickelten im Verlauf Inselautoantikörper und 7 T1D. Die tägliche energieadjustierte Aufnahme löslicher Ballaststoffe wurde im Alter von 9 bzw. 12 Monaten zwischen Kindern mit und ohne einer späteren Entwicklung von Inselautoimmunität und T1D verglichen. Die Ballaststoffzufuhr vor und bei Seroconversion zu Antikörperpositivität wurde in einer Fall-Kontroll-Analyse verglichen. Für die Analyse der Neutrophilenzahlen wurden Differenzialblutbilder von 107 Personen mit neumanifestem T1D, 12 Personen mit Inselautoimmunität und 1196 altersgematchten Kontrollen ausgewertet, die zum Zeitpunkt der Blutabnahme keine akute Infektion auf Basis der Leukozytenzahl und des CRP-Wertes aufwiesen.

Ergebnisse: Die Aufnahme löslicher Ballaststoffe unterschied sich weder im Alter von 9 und 12 Monaten noch vor und bei Seroconversion zwischen Kindern, die Inselautoimmunität entwickelten gegenüber Kindern die Autoantikörper-negativ blieben (p>0,05; Median Inselautoimmunität positiv: Alter 9 Monate 2,2g [IQR: 1,7–3,1]; 12 Monate 3,0g [QR: 2,5–3,6]; Seroconversion 2,8g [IQR: 2,2–3,7]; Inselautoimmunität negativ: 9 Monate 2,8g [IQR: 2,0–3,2]; 12 Monate 3,3g [IQR: 2,5–3,8]; no seroconversion 3,1g [IQR: 2,3–3,5]). Auch Kinder, die später T1D entwickelten, unterschieden sich nicht im Hinblick auf die lösliche Ballaststoffzufuhr. Die mittlere Neutrophilenzahl war bei Personen mit Inselautoimmunität und neumanifestem T1D signifikant niedriger als in der Kontrollpopulation(Median 2,33/nl und 3,11/nl vs. 4,11/nl; p<0,0001). Der statistisch signifikante Unterschied war geschlechts- und altersunabhängig.

Schlussfolgerungen: Erniedrigte Neutrophilenzahlen bei Langzeitdiabetikern wurden mehrfach beschrieben und als Folge der Diabeteserkrankung gedeutet. Unsere Ergebnisse vor und bei Krankheitsmanifestation weisen erstmals darauf hin, dass Funktionsstörungen der Neutrophilen möglicherweise bei der Pathogenese von T1D eine Rolle spielen. Hinweise für eine verminderte Aufnahme von Ballaststoffen als potentielle Ursache einer gestörten Immunregulation ergaben unsere Daten nicht.