Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7 - FV_11
DOI: 10.1055/s-0032-1314443

Häufigkeit und Form von Essstörungen bei 55984 Patienten mit Typ 1-Diabetes mellitus: Ergebnisse einer Analyse aus der DPV-Datenbank

B Bartus 1, C Kastendieck 2, M Meusers 3, E Molz 4, U Schimmel 5 RW Holl 4, für die DPV-Initiative und das Kompetenznetz Diabetes mellitus
  • 1Klinikum Stuttgart Olgahospital, Pädiatrie 2, Stuttgart, Germany
  • 2Klinikum Bremen-Nord, Klinik f. Kinder- u. Jugendmedizin, Bremen, Germany
  • 3Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Herdecke, Germany
  • 4Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie, ZIBMT, Ulm, Germany
  • 5AKH Allgemeines Krankenhaus Hagen, Kinderklinik, Hagen, Germany

Fragestellung: Die Häufigkeit von Essstörungen bei Diabetes wird in der Literatur nach wie vor kontrovers diskutiert, wobei die Studienergebnisse der letzten Jahre für eine erhöhte Prävalenz bei Mädchen mit Diabetes in der Adoleszenz sprechen. Während früher mehr Fälle mit Anorexie beobachtet wurden, werden gegenwärtig zunehmend auch Bulimie und subklinische Essstörungen berichtet. Durch die Auswertung über die DPV-Datenbank soll in einem großen Patientenkollektiv der Anteil dokumentierter Essstörungen erfasst und anhand der klinischen Parameter beschrieben werden.

Methodik: In die Untersuchung gingen die Daten von 55984 Patienten mit Typ 1-Diabetes aus Deutschland und Österreich ein. Diese wurden mit dem DPV-Programm, einer Diabetes-Software zur prospektiven Verlaufsdokumentation von diabetes-relevanten Patientendaten standardisiert erfass und mittels SAS 9.2 deskriptiv-statistisch ausgewertet.

Ergebnisse: Das untersuchte Patientenkollektiv (52% Jungen) hatte ein mittleres Alter von 15,1±5,4 Jahren (0,1 bis 29,9 Jahre), das Manifestationsalter war 9,1±5,0 Jahre und die Diabetesdauer lag bei 5,9±4,8 Jahren. Der BMI des Gesamtkollektivs betrug 21,5±4,4kg/m2 und die durchschnittliche Insulindosis war 0,8±0,3 IE kg/KG. Das mittlere DCCT-adjustierte HbA1c lag für das Gesamtkollektiv bei 8,3±1,8%. Bei der Analyse der Daten hinsichtlich Essstörungen fanden sich 237 Patienten mit der Diagnose Anorexie/Bulimie, was einen prozentuellen Anteil von 0,42% Essstörungen in der untersuchten Population ausmachte. Die dokumentierten Patienten mit Essstörungen teilten sich auf in n=123 Fälle mit Bulimie (51,8%), n=109 Anorexie (45,9%) und n=5 (2,3%) mit beiden Diagnosen. Der Anteil von Jungen an der Gesamtzahl der Essstörungen lag bei 38 Fällen (16,0%). Weitere Auswertungen ergaben bei Patienten mit Essstörungen ein mittleres Alter von 18,3±4,0 Jahren, eine Diabetesdauer von 8,3±5,4 Jahren und ein durchschnittliches HbA1c von 9,1±2,5%. Die getrennte Analyse zeigte, dass sowohl Patienten mit Anorexie (HbA1c 8,7±2,8%) als auch Patienten mit Bulimie (HbA1c 9,4±2,2%) eine schlechte Stoffwechseleinstellung aufwiesen. Zudem unterschieden sich Anorexie-Patienten mit ihrem BMI von 19,9±3,7kg/m2 deutlich von Patienten mit Bulimie mit einem BMI von 24,6±5,4kg/m2.

Schlussfolgerung: Die durch die DPV-Software multizentrisch erhobenen und ausgewerteten Daten ergaben für erfasste Essstörungen eine Prävalenz von 0,42% (Anorexie/Bulimie) in der untersuchten Population. Diese Patienten waren älter, hatten eine längere Diabetesdauer und vor allem ein höheres HbA1c als das Gesamtkollektiv. Essstörungen haben neben den direkten psychischen Belastungen auch Folgen für die Diabeteseinstellung. Weitere Analysen sollen daher die Auswirkungen von Essstörungen auf wichtige Verlaufsparameter wie Retinopathie und Mikroalbuminurie untersuchen.