Pneumologie 2012; 66(04): 198
DOI: 10.1055/s-0032-1311729
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kompetenznetzwerk CAPNETZ – Infektionshäufigkeit von Mycoplasma pneumoniae

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Publication Date:
11 April 2012 (online)

 

Die epidemiologisch festgehaltenen Aufzeichnungen von M.-pneumoniae-Epidemien in Europa datieren nach Angaben von K. Lind et al. [ 1 ] bis auf das Jahr 1946 zurück. Im Statens Serum Institut in Kopenhagen wurden bis vor kurzem alle serologischen Untersuchungen zusammengeführt.

Die zunächst auf der Komplementbindungsreaktion basierenden Daten zeigten eine nahezu regelmäßige Häufung von M.-pneumoniae-Ausbrüchen im Abstand von 4–6 Jahren. Nach Einführung der PCRund RT-PCR-Verfahren zum direkten Erregernachweis aus respiratorischem Material wurden die epidemiologischen Studien besonders in England und Wales erweitert. Sie zeigen übereinstimmend die Zyklen von gehäuften M.-pneumoniae-Erkrankungen [ 2 ]. Im Gegensatz zu den Ausbrüchen mit viralen Infektionserregern wie Influenza oder Respiratorisches-Synzytial-Virus (RSV) verlaufen die M.-pneumoniae-Epidemien nicht innerhalb von wenigen Monaten. Es werden eher kleinere, sich langsam akkumulierende Ausbrüche gesehen, die sich addieren und die sich zum Teil über 1 oder 2 Jahre langsam zum Peak entwickeln, um sich dann ebenso über weitere 1 oder 2 Jahre langsam zurück zu entwickeln. Das zeitliche Profil ist daher ein ganz anderes als bei den uns bekannten viral bedingten Infektionserkrankungen.

Die soeben zusammengefassten skandinavischen und englischen Publikationen mit Häufungen von M.-pneumoniae-Erkrankungen mit Beginn im Winter 2010 und mit zunehmender Tendenz im Winter 2011 [ 3 ] sind gerade für Deutschland interessant, wo es keine einheitliche Meldepflicht für M.-pneumoniae-Erkankungen gibt. Es besteht der Hinweis, dass im ambulanten Bereich mit einer zunehmenden Zahl an Patienten mit einer auf M. pneumoniae basierenden Infektion in diesem Jahr zu rechnen ist. Die bisherige Annahme, dass M.-pneumoniae-Infektionen fast ausschließlich Kinder oder junge Erwachsene betreffen, konnte in der CAPNETZStudie mit einem Alterdurchschnitt von 41 ± 16 Jahre nicht bestätigt werden. Von den prospektiv 4 532 eingeschlossenen Patienten mit ambulant erworbenen Pneumonien wurden 307 Patienten sicher mittels PCR und/oder durch den Nachweis spezifischer IgM-Antikörper als M.-pneumoniae-Erkrankte identifiziert [ 4 ]. Der Erregernachweis bei 6,8 % der Patienten mit ambulant erworbenen Pneumonien reihte die M.-pneumoniae–nach den Streptococcus-pneumoniae- und den Haemophilus-influenzae-Infektionen an die 3. Position aller in die Diagnostik einbezogenen bakteriellen und viralen Pathogene ein.

Für die tägliche Praxis lässt sich aus heutiger Sicht ableiten, dass sich die Meldungen aus England, Wales und Skandinavien mit Häufungen an M.-pneumoniae-Infektionen im Herbst und Winter 2011 in diesem Jahr aufgrund der bekannten Verlaufskurven fortsetzen werden. Auch in Deutschland ist mit einer Häufung an M.-pneumoniae-Erkrankungen zu rechnen.

Prof. Enno Jacobs, Dr. Roger Dumke,
Dresden, CAPNETZ-Studiengruppe,
Hannover

 
  • Literatur

  • 1 Lind K, Benzon MW, Jensen JS et al. A seroepidemiological study of Mycoplasma pneumoniae infections in Denmark over the 50-year period 1946–1995. Eur J Epidemiol 1997; 13: 581-586
  • 2 Chalker VJ, Stocki T, Litt D et al. Increased detection of Mycoplasma pneumoniae infection in children in England and Wales, October 2011 to January 2012. Euro Surveill 2012; 17: pii=20081
  • 3 Jacobs E. Mycoplasma pneumoniae: now in the focus of clinicians and epidemiologists. Euro Surveill 2012; 17: pii=20084
  • 4 Baum HVon, Welte T, Marre R et al. Mycoplasma pneumoniae pneumoniae revisited within the German Competence Network for Community-acquired pneumoniae (CAPNETZ). BMC Inf Dis 2009; 9: 62-72