Neonatologie Scan 2012; 01(01): 40-41
DOI: 10.1055/s-0032-1310214
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Schmerzen
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Zuckerlösung kann schmerzhafte Prozeduren erleichtern

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Publication Date:
23 August 2012 (online)

Auf Frühgeborenen-Intensivstationen werden für eine optimale Überwachung und Versorgung bei den Kindern häufig unangenehme und schmerzhafte Maßnahmen erforderlich. Oft gilt dabei: Je kleiner das Kind, d. h. je weiter vom eigentlichen errechneten Geburtstermin entfernt, desto häufiger sind diese Überwachungsmaßnahmen notwendig. Und je kleiner das Kind, desto schwieriger und risikobehafteter ist eine Schmerzbekämpfung mit den üblichen Analgetika. Andererseits können häufige Schmerzerlebnisse in diesem Alter zu bleibenden Veränderungen der peripheren und zentralen Schmerzverarbeitung, des neuroendokrinen Systems und der neurologischen Entwicklung führen. Nicht-pharmakologische Analgesieverfahren sind daher von wesentlicher Bedeutung. Eine Schweizer Arbeitsgruppe hat nun 2 verschiedene solcher Verfahren miteinander verglichen.

Die orale Gabe von Zuckerlösung lindert bei Frühgeborenen Schmerzen wirksamer als das sogenannte „Facilitated Tucking“, die Kombination beider Verfahren kann aber möglicherweise in der Erholungsphase nach der schmerzhaften Maßnahme einen zusätzlichen Effekt ausüben. Dieses Ergebnis hat die multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie von Eva Cignacco und Mitarbeitern erbracht. Sie untersuchten insgesamt 71 zwischen der 24. und 32. Schwangerschaftswoche geborene „Frühchen“ in den ersten 14 Tagen ihres Aufenthalts auf der Intensivstation. Geprüft wurde die Reaktion auf eine Blutabnahme aus der Ferse, wobei sie das Verhalten des Kindes jeweils vor, bei und nach der Blutabnahme mittels Video dokumentierten; bei jedem Kind wurden 5 Blutabnahmen aufgezeichnet.

24 Kinder erhielten 20 %ige Zuckerlösung (Saccharose) 0,2 ml/kg oral mit Beginn etwa 2 min vor der Intervention. Bei weiteren 24 Kindern erfolgte ein „Facilitated Tucking“ (FT), damit wird die Haltung des Kindes in gebeugter Rumpfposition mit Festhalten von Händen und Füßen beschrieben, beginnend ebenfalls kurz vor der Blutabnahme und fortgeführt bis zum Ende der Erholungsphase. Bei 23 Kindern schließlich wurden die beiden Maßnahmen kombiniert.

4 erfahrene Krankenschwestern beurteilten insgesamt 1055 Videosequenzen anhand des Berner Schmerz-Scores für Neugeborene und erhoben bei jedem Kind jeweils einen Gesamtpunktwert (T), einen Wert nur anhand physiologischer Parameter wie Herzfrequenz, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung (P) sowie einen Wert anhand von Verhaltensparametern, u. a. Weinen, Schlafmuster und Grimassieren (B, behavioral). Es zeigte sich, dass Kinder, die Zuckerlösung erhielten, in allen Teilbereichen deutlich weniger Schmerzreaktionen zeigten als Kinder der FT-Gruppe (p < 0,002). Die Kombination beider Maßnahmen ergab in der Erholungsphase nach der Blutabnahme geringere Schmerzpunktwerte auf der B-Subskala als jede der beiden Einzelmaßnahmen.