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DOI: 10.1055/s-0032-1309901
Stent oder Endarteriektomie bei Karotisstenose – Patientenalter beeinflusst Revaskularisationserfolg
Zur Therapie der hochgradigen Karotisstenose kommen die Endarteriektomie (CEA) oder ein Karotis-Stent (CAS) infrage. Größere Vergleichsstudien hierzu liegen bislang nicht vor. US-amerikanische Wissenschaftler verglichen deshalb in einer präspezifischen Analyse der CREST-Studie (Carotid Revascularization Endarterectomy Versus Stenting Trial) an 2502 Patienten den Einfluss des Alters und primärer Risikofaktoren beider Methoden auf den Therapieerfolg.Publication History
Publication Date:
15 July 2012 (online)
Stroke 2011; 42: 3484 – 3490
Seit längerer Zeit ist durch Studien belegt, dass das Therapieergebnis nach Revaskularisation der Karotis durch Endarteriektomie auch durch das Patientenalter beeinflusst wird. Vom Stenting erhoffte man sich eine bessere Prognose, jedoch wiesen erste Registerdaten aus der CREST-Studie ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko nach Karotis-Stent auf. JH Voeks et al. analysierten daraufhin den Einfluss des primären Endpunkts und weiterer Risikofaktoren auf den Therapieerfolg nach Stent und im Vergleich zur CEA bei älteren Patienten unter Betrachtung von 3 Altersstufen.
Eingeschlossen wurden 1321 symptomatische und 1181 asymptomatische Patienten ( > 60 % Männer) mit hochgradiger Karotisstenose. 1262 erhielten einen Stent und 1240 eine CEA. Die 3 Altersstufen setzten sich wie folgt zusammen:
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jünger als 65,
-
65 – 74 Jahre sowie
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75 Jahre und älter.
Sie waren annähernd gleich verteilt in beiden Therapiegruppen (CEA und CAS). Der primäre Endpunkt war definiert als Schlaganfall, Herzinfarkt und Tod innerhalb von 30 Tagen nach Prozedur oder ipsilateraler Schlaganfall innerhalb von 4 Jahren nach Randomisierung. Weitere Risikofaktoren waren Hypertonus, Diabetes, Hyperlipidämie und Rauchen.
Im höheren Alter steigt Risiko bei CAS-Patienten
Bei den Karotis-Stent-Patienten ergab sich mit zunehmendem Alter ein erhöhtes Risiko für den primären Endpunkt (p < 0,0001), das sich pro 10-Jahres-Intervall um das 1,7-fache steigerte. Im Lebensalter um 70 war das Risiko für beide Therapiegruppen annähernd gleich.
Eine erhöhte Schlaganfall-Rate erwies sich als ausschlaggebend für den ungünstigeren Therapieausgang unter CAS. Im Lebensalter um 64 Jahre war das Risiko in beiden Therapiegruppen jedoch vergleichbar. Ein erhöhtes Risiko mit zunehmendem Alter wurde unter CEA nicht beobachtet. Der Symptomstatus oder das Geschlecht hatten keinen Einfluss auf den altersbedingten Therapieausgang beider Methoden (p = 0,96 bzw. p = 0,45).
Fazit
Der schlechtere Therapieausgang bei Anlage eines Karotis-Stents war in dieser Analyse der CREST-Studie altersabhängig und in erster Linie durch eine erhöhte Schlaganfall-Rate im höheren Alter begründet. Im jüngeren Altersbereich unter 65 war das relative Risiko gegenüber der Endarteriektomie eher günstiger. Die Autoren schlussfolgern, dass für die Therapieentscheidung CAS oder CEA bei Karotisstenose das Patientenalter besondere Beachtung finden sollte.
Maria Weiß, Berlin
1. Kommentar
Prof. Jens Fiehler Klinik und Poliklinik fuer Neuroradiologische, Diagnostik und Intervention, Universitaetsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg
Die hier vorliegende Arbeit berichtet über die Ergebnisse einer vorab geplanten Analyse der Altersabhängigkeit der Komplikationen in der CREST-Studie, bei der Karotis-Stenting und Karotisendarteriektomie randomisiert miteinander verglichen worden waren.
Die Ergebnisse dieser Analyse bestätigen in einem weiteren großen und unabhängigen Patientenkollektiv eindrucksvoll, was wir schon seit mehreren Jahren wissen: Die Komplikationsrate beim Karotis-Stenting steigt deutlich mit zunehmendem Lebensalter an. Dieses Ergebnis ist ebenso kontraintuitiv wie überraschend, weil eigentlich erwartet worden war, dass das minimal-invasive Karotis-Stenting gerade bei älteren Patienten überlegen ist. Der tatsächliche beobachtete Nachteil des Karotis-Stentings in der älteren Patientengruppe wurde bereits während der Pilotphase vor Beginn der CREST-Studie beobachtet, dann unabhängig hiervon in SPACE bestätigt und in einem größeren Maßstab dann auch in der zusammengefassten Analyse der Daten aus EV3S, SPACE und ICSS wiedergefunden (Bonati et al. 2010). Nun liegt nach der primären Publikation von CREST hier eine ausführlichere Analyse vor, in der dem Phänomen der Altersabhängigkeit mit erweiterten statistischen Mitteln und der Analyse einer Vielzahl von Kovariablen zu Leibe gerückt wird.
Wenn man sich den Verlauf des relativen Risikos mit zunehmendem Lebensalter anschaut, ist hier eine Überlegenheit des Karotis-Stentings bei den jungen Patienten zu sehen. Karotis-Stenting und Karotisendarteriektomie sind hinsichtlich des allgemeinen Komplikationsrisikos bei den 70-jährigen Patienten dann gleichauf, wobei das Risiko des Karotis-Stentings signifikant ansteigt – es erhöht sich pro Lebensdekade um das 1,77-Fache (95 % Vertrauensbereich 1,38 – 2,28). Im Gegensatz hierzu gibt es keine Hinweise auf eine altersabhängige Veränderung in der Gruppe der mit Karotisendarteriektomie Behandelten – wie auch in sämtlichen anderen oben genannten Studien.
Interessant ist noch, dass die Zahl der Herzinfarkte in der Stenting-Gruppe geringer war als in der operativen Gruppe – unabhängig vom Alter. Diese Information ist neu, da diese Daten nicht in der SPACE-Studie erfasst wurden. Als Erklärung für die klare Altersabhängigkeit erweisen sich Spezifika der Stenose als ebenso ungeeignet wie die vorbestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren (Diabetes, Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels). Es zeigt sich lediglich ein sehr schwacher Zusammenhang: der Anstieg der Durchleuchtungszeit.
Fazit: Für die Therapieentscheidung bei Karotisstenosen spielt das Alter eine bedeutende Rolle. Bei unter 70-jährigen Patienten sollte das Karotis-Stenting und bei älteren Patienten die Karotisendarteriektomie bevorzugt bedacht werden.
Literatur beim Verfasser
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2. Kommentar
Prof. Hartmut Brückmann
Abteilung Neuroradiologie
Klinikum Universität München
Marchioninistr
81377 München
In den vergangenen 5 Jahren sind verschiedene prospektive, randomisierte multizentrische Studien veröffentlicht worden. Es wurde überwiegend bei symptomatischen Stenosen der A. carotis interna untersucht, ob die Intervention mit CAS (Carotis Artery Stenting) und Karotisendarteriektomie (CEA) ebenbürtig sind. Alle vorliegenden Arbeiten – ICSS, SPACE1, SAPPHIRE, EVA3-S und zuletzt CREST – haben gezeigt, dass die Schlaganfallsrate bei Patienten über 68 Jahren in der Stent-behandelten Gruppe signifikant höher ist als in der Gruppe der operierten Patienten.
In der vorliegenden Arbeit werden nun anhand verschiedener statistischer Modelle mithilfe der 2502 in die CREST-Studie eingeschlossenen Patienten untersucht, welchen Einfluss das Alter auf das Schlaganfallsrisiko und für die Entstehung eines Myokardinfarkts bei Stenting und operierten Patienten hat.
Der Zusammenhang des geringeren relativen Behandlungsrisikos in der CAS-Gruppe für jüngere Patienten und des höheren relativen Behandlungsrisikos bei älteren Patienten ist entscheidend durch das höhere Schlaganfallsrisiko bei älteren Patienten bedingt. In der CEA-Patientengruppe blieb hingegen das Schlaganfallsrisiko über das gesamte Altersspektrum konstant.
Die erneute statistische Aufarbeitung zeigt nichts wesentlich Neues. Das jetzt noch einmal dargestellte Ergebnis deutete sich bereits in der "lead-in registry" der CREST-Studie vor 15 Jahren an, dass das Behandlungsrisiko in der Stenting-Gruppe bei Älteren größer sein könnte als in der operierten Gruppe. Es wird angenommen, dass vor allem durch den endovaskulären Zugangsweg bei älteren Patienten das Komplikationsrisiko steigt: Elongation des Arcus aortae, markante Verkalkungen des Arcus aortae sowie der Aa. carotides und Elongation der A. carotis communis und der A. carotis interna wurden hierfür verantwortlich gemacht.
In der CREST-Studie zeigt sich, dass im Gegensatz zum Schlaganfallsrisiko das myokardiale Infarktrisiko in beiden Behandlungsformen nicht altersabhängig war. Es zeigte sich ein Trend geringerer myokardialer Infarkte in der CAS-Gruppe über das gesamte Altersspektrum.
Die vorliegende Analyse der CREST-Studie bestätigt, dass das Lebensalter des Patienten einen entscheidenden Einfluss auf das Schlaganfallsrisiko hat und dies bei der Indikationsstellung zur CAS oder operativen Behandlung berücksichtigt werden soll. Bei älteren Patienten (älter als 68 – 70 Jahre) hat die operative Behandlung bei symptomatischen Karotisstenosen den Vorzug. Dennoch sollte hinsichtlich der Subgruppenanalysen der genannten großen Studien berücksichtigt werden, dass bei der Patientenselektion insbesondere auch die Erfahrung des Operateurs bzw. Interventionalisten eine große Rolle spielt. Vor allem aber sollte auch mitberücksichtigt werden, ob eine zusätzliche kontralaterale Stenose oder Verschluss besteht. In diesen Fällen ist die Behandlung mit einem Karotis-Stent der operativen Therapie überlegen.
Literatur beim Verfasser
E-Mail: hartmut.brueckmann@med.uni-muenchen.de
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