Pneumologie 2012; 66 - P235
DOI: 10.1055/s-0032-1302685

Eine Impfung gegen Nikotin zur Tabakentwöhnung? Aktueller Stand der Literatur

T Raupach 1
  • 1Universitätsmedizin Göttingen, Kardiologie & Pneumologie

Einleitung: Auch bei optimaler Nutzung der verfügbaren Maßnahmen zur Tabakentwöhnung liegt die langfristige Abstinenzquote in publizierten Studien nur um 30%. Eine Impfung gegen Nikotin soll zur Bildung von Antikörpern führen, die den Suchtstoff vor Erreichen des Gehirns binden und damit seine Wirkung am Effektororgan verhindern. Die Nikotin-Impfung stellt ein neuartiges Therapiekonzept dar, das sich mittlerweile in der klinischen Erprobung befindet.

Methoden: Es wurde eine systematische Literatur-Recherche (PubMed) mit den Suchbegriffen „nicotine“, „vaccination“ und „immunization“ durchgeführt. Die identifizierten Artikel wurden auf weiterführende Zitierungen geprüft und relevante Volltexte analysiert.

Ergebnisse: Es wurden 28 tierexperimentelle und 5 klinische Studien (Gesamt-n: 763 Patienten) zur Immunisierung gegen Nikotin identifiziert. In Tierstudien wurden sowohl Aktiv- als auch Passivimpfungen getestet; am Menschen wurde bislang nur die Aktivimpfung eingesetzt. Während die tierexperimentellen Studien deutliche positive Effekte der Impfung auf die Pharmakokinetik des Nikotins sowie auf Surrogatparameter der Sucht nachwiesen, konnte in zwei klinischen Dosisfindungsstudien kein genereller Effektivitätsnachweis erbracht werden. In einer Studie ergab sich bei Patienten mit besonders hohen Antikörper-Titern jedoch eine kontinuierliche 12-Monats-Abstinenzquote von 42%. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet.

Schlussfolgerung: Die fehlende Übertragbarkeit der Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien auf die Anwendung beim Menschen liegt teilweise in den methodischen Limitationen der Tiermodelle begründet. Moderne Behandlungsstrategien (evtl. unter Einschluss einer weiterentwickelten Nikotinimpfung) müssen dem komplexen Zusammenspiel pathophysiologischer und psychologischer Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Tabakabhängigkeit Rechnung tragen.