Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - P026
DOI: 10.1055/s-0032-1301576

Frühdiagnostik distaler Neuropathien durch Stimulation von Mechanorezeptoren (Vibration, Impuls) und Ableitung der kortikalen SEP-Antwort

BCJ Liske 1, C Frischholz 1, M Süße 1, A Melms 1
  • 1Universitätsklinikum Tübingen, Neurologische Klinik und Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, Abt. Allgemeine Neurologie, Tübingen am Neckar

Einleitung: Bei ätiologisch heterogenen distal-symmetrischen Neuropathien im frühen Verlauf, bei weit distalem sensiblen Gradienten oder selektiver Affektion sensibler Qualitäten, z.B. der Vibrationempfindung, zeigt die etablierte Neurophysiologie diskrepant zur klinischen Einschätzung oftmals einen Normalbefund. Die Ableitung von SEP nach taktiler Stimulation von Mechanorezeptoren durch Vibrationsreize und mechanischen Impuls wurde in unserer Arbeitsgruppe methodologisch einschließlich Normwerterstellung etabliert (s. Frischholz et al., DGKN Jahrestagung 2012). Entscheidender Vorteil ist die Erfassung des distalen Nervenfaserverlaufes, die Funktion der jeweiligen Mechanorezeptoren und selektiv deren Afferenzen.

Methoden: Bei freiwilligen Probanden (Alter 20 bis 80 Jahre) mit distal symmetrischen Neuropathien mit Beteiligung großkalibriger Fasern und/oder Zeichen einer Small Fibre Neuropathie erfolgte die Ableitung von kortikalen SEP nach mechanischem Impuls und Vibrationsreizung abgestufter Intensität. Alters-, und körpergrößenabhängige Normwerttabellen (s. Frischholz et al., DGKN-Jahrestagung 2012) dienten zum Vergleich. An gesunden, freiwilligen Probanden erfolgte ein subjektiver Abgleich der Vibrationsempfindung mit der genormten Vibrationsgabel an die jeweilige Intensität des Vibrationsstimulators durch Pulsweitenmodulation des Vibrationsreizes. Zusätzlich wurden Neurographien der Nn. tibialis, suralis und medianus, N. tibialis–SEP und sympathische Hautantwort registriert.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Symmetrische Neuropathien mit weit distalem Gradienten, insbesondere selektiver Minderung des Vibrationsempfindens, lassen sich durch Stimulation von Mechanorezeptoren und Ableitung der kortikalen SEP-Antwort gut elektrophysiologisch erfassen. Diese Methodik ist technisch einfach, erlaubt unabhängig von der Mitarbeit des Probanden die Erfassung einer individuellen Vibrationsschwelle und ist in der Sensitivität der etablierten Neurographie überlegen.