Zentralbl Chir 2011; 136(06): 554-557
DOI: 10.1055/s-0031-1299609
Rechtliches - Urteile und Hintergründe
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Urteil des LG Würzburg vom 11.08.2010, Az.: 14 O 2362/07 – Zeugen für die Schmerzen

A. Thiede
,
H.-J. Zimmermann
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. Dezember 2011 (online)

 

Nach einer laparoskoischen Cholzystektomie kommt es postoperativ zu vermehrt auftretenden starken Schmerzen. Erst in einer weiteren OP konnte ein großer, mehrfach gekapselter Abszess sowie kleinere Abszesse im rechten Oberbauch entfernt werden. Ein Gericht musste nun klären, ob den Ärzten ein Behandlungsfehler unterlaufen war.

Medizinischer Sachverhalt

Unter der Diagnose "symptomatische Cholezystolithiasis" wird bei der 51-jährigen Patientin wegen eines rezidivierenden Verlaufes der Erkrankung die OP-Indikation zur Cholezystektomie gestellt. Nebendiagnosen: Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, substituierte Hyperthyreose nach Schilddrüsen-Operation im Jahre 1990 und Adipositas Grad II (Body-Mass-Index 36 kg / m2). Die präoperative Diagnostik zeigte sonografisch multiple Gallensteine, eine chronische Gallenblasenentzündung und endoskopisch eine asymptomatische Antrumgastritis, eine mittelgroße Hiatushernie und dezente, überwiegend chronische Entzündungszeichen sowie laborchemisch einen Anstieg der Cholestase-Parameter. Das Beschwerdebild (Oberbauchbeschwerden, Schwäche und Müdigkeit, Verstärkung der Beschwerden nach Mahlzeiten, aber ohne klassische Gallenkoliken) wurde auf die chronische Cholezystolithiasis zurückgeführt. Nach fachgerechter umfassender Aufklärung wurde am 2.07.2007 eine laparoskopische Cholezystektomie durchgeführt. Laut OP-Bericht erfolgte sowohl die intraoperative endoskopische Diagnostik sowie die Cholezystektomie ohne Auffälligkeiten und mit umfassender und sorgfältiger Dokumentation im OP-Bericht. Lediglich der Ductus cysticus erschien relativ weit und musste durch größere Clips versorgt werden.

Nach unauffälliger Passage des Aufwachraumes wurde die Patientin auf Normalstation verlegt. Dort klagte sie am Nachmittag und in den Abendstunden über starke Schmerzen, wobei die Patientin jedoch auf wiederholte Schmerzmittelgaben – relativ hoch dosiert – gut ansprach.

Ärztlich wurde die Patientin um 16.00 Uhr und 19.00 Uhr am Operationstag visitiert. Nach Pflegebericht hat die Patientin beim Gang zur Toilette in der Nacht um 4.30 Uhr gestöhnt und wiederum Schmerzmittel intravenös erhalten. Bei der Morgenvisite des nächsten Tages waren leichte Oberbauchbeschwerden, jedoch keine Abwehrspannung und keine Übelkeit feststellbar. Symptomatisch wurde die Schmerztherapie fortgesetzt. Um 11.00 Uhr am 8.02.2007 ergaben sich keine Schmerzen, jedoch verlief ein Mobilisationsversuch negativ. Eine Sonografie des Oberbauchs am gleichen Tag ergab keine auffälligen Befunde. Labor: Leukozyten 24.500 / µl, CRP 10,79 mg / dl (Norm < 0,5), Bilirubin 1,84 mg / dl (Norm 1,1).

Am 9.02.2007 zeigten die Laborwerte: Leukozyten 31.300 / µl, CRP 47,58 mg / dl, Bilirubin 2,46 mg/dl. Eine am gleichen Tag um 12:00 Uhr durchgeführte Sonografie zeigte eine 2 x 2 cm große Flüssigkeitsansammlung im Gallenblasenbett sowie eine Erweiterung des Ductus choledochus auf 1,6 cm.

Dies wurde als akut einsetzender Gallestau infolge eines Abflusshindernisses gedeutet. Die indizierte, dann durchgeführte ERCP mit Röntgenkontrastdarstellung am 9.02.2007 ergab 3, möglicherweise 4 Kontrastmittelaussparungen im Sinne intraduktaler Konkremente. Nach Papillotomie und Bergung von 3 Gallensteinen mittels Dormia-Körbchen war das Gangsystem frei. Bei erneuter Kontrastmittelfüllung des Ductus choledochus war das Gangsystem wiederum frei, der Abfluss ins Duodenum gegeben. Die Darstellung der Gallenwege zeigte keine Erweiterung und der Zystikusstumpf war unauffällig. Die Schmerzangaben waren rückläufig. Am Nachmittag des 11.02.2007 klagte die Patientin letztmalig über krampfartige Unterbauchbeschwerden. Ein Klysma brachte wenig Erleichterung, daraufhin wurde Buscopan, Novalgin und feuchte Wärme verordnet.

Laborwerte am 10.02.2007: Leukozyten 19.900 / µl, Bilirubin 2,03 mg / dl, CRP < 50 mg / dl. Eine Oberbauchsonografie erbrachte am selben Tag unauffällige postoperative Oberbauchverhältnisse ohne Anhalt für Verhalt oder erweiterte Gallengänge.

Der Kostaufbau für leichte Kost mit guter Verträglichkeit war am 12.02.2007 abgeschlossen.

Laborwerte am 13.02.2007: Leukozyten 22.500 / µl, Bilirubin 1,54 mg / dl, CRP 39,12 mg / dl.

Am 13.02.2007 wurde die Patientin bei unauffälliger Klinik nach Hause entlassen.

Am 14.02.2007 suchte die Patientin wegen wieder auftretender Schmerzen den Hausarzt auf. Trotz Schmerzmittelgabe hielten die Beschwerden an, so dass eine Wiedervorstellung beim internistischen Gastroenterologen erfolgte. Die Laborwerte ergaben Leukozyten 21.000 / µl, CRP 22,6 mg / dl.

Die Oberbauchsonografie zeigte größere Mengen eines "organisierten Seroms" im Mittelbauch. Leber, Milz und Nieren waren unauffällig. Es bestand kein Hinweis auf eine Cholestase.

Eine am gleichen Tag durchgeführte CT zeigte einen Zustand nach Cholezystektomie und eine nicht sicher pathologisch wertbare Flüssigkeitsansammlung im OP-Bereich des Gallenblasenbettes. Es bestand Verdacht auf Gangkonkrement im proximalen Ductus choledochus – wegen einer irregulären, ringförmig verkalkten Struktur von 9 mm Durchmesser. Es zeigte sich ein großes, subkapsuläres Leberserom. Hieraus ergab sich der Verdacht auf eine kleine Einschmelzung mesenterial rechts im Mittelbauch. Bildgebend ergab sich ein Verdacht auf eine ödematöse Pankreaskopfpankreatitits.

Es erfolgte eine erneute Krankenhausaufnahme in einem anderen Krankenhaus am 20.02.2007 wegen Schmerzen im rechten Oberbauch. Sonografisch fand sich ein Verhalt im rechten Oberbauch. Bei der sonografisch gesteuerten Punktion fand sich galliges Sekret, darin alphahämolysierende Streptokokken.

Laborwerte: Leukozyten 19.000 / µl, CRP 13,6 mg / dl, Bilirubin 1,27 mg / dl und Erhöhung der Cholestase-Parameter (alkalische Phosphatase 281 U / l, Gamma-GT 345 U / l).

Bei einer ERCP am 21.02.2007 ließ sich ein Konkrement nicht bergen, aber es war eine Zystikusstumpfinsuffizienz nachweisbar. In der Blutkultur fanden sich alpha-hämolysierende Streptokokken.

Bei weiter ansteigenden Entzündungswerten und bleibend erhöhten Cholestase-Parametern wurde eine operative Revision am 22.02.2007 vorgenommen. Es fand sich bei der Laparotomie ein großer, mehrfach gekapselter Abszess sowie kleinere Abszesse im rechten Oberbauch, bei liegenden Clips eine Ductus-cysticus-Stumpfinsuffizienz, ein sehr langer Ductus cysticus, der Ductus cysticus war weiter als der Ductus choledochus und am Übergang vom Ductus cysticus zum Ductus choledochus fand sich ein inkrustierter Stein. Operativ wurde nach Entfernung des Steins, ausgedehnter Revision des Oberbauches und weiteren diagnostischen Maßnahmen (Manometrie, Endoskopie, Röntgen-Kontrastdarstellung der ableitenden Gallenwege) kein Anhalt für ein Abflusshindernis gesehen. Die Gallenwege waren frei. Es erfolgte eine Spülung des Oberbauches und Drainage-Platzierung sowie der Bauchverschluss. Im weiteren langwierigen und verzögerten Verlauf war letztendlich keine weitere operative Revision erforderlich. Es wurden vor allen Dingen Passagebeschwerden beobachtet, die als Folge von Verwachsungen der Darmschlingen im rechten Ober- und Mittelbauch gedeutet wurden.