Rofo 2012; 184(5): 470
DOI: 10.1055/s-0031-1299477
Leserbrief
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Leserbrief zum Artikel von Pache G et al. Niedrigdosis-Computertomografieprotokoll zur Detektion von Kokain-Bodypacks: Klinische Evaluation und rechtliche Aspekte. Fortschr Röntgenstr 2012; 184: 122–129

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Publication Date:
27 April 2012 (online)

Leserbrief

Vielen Dank an die Autoren für ihren interessanten und gut recherchierten Artikel [1]. Sie sprechen ein sehr relevantes und hochaktuelles Thema an [2 – 4], welches mit vielerlei Unsicherheiten bei Anwendern auf medizinischer und juristischer Seite verbunden ist. Wir sind ebenfalls häufig mit dieser Fragestellung konfrontiert und haben uns eingehend mit der Thematik befasst.

Besonders in radiologischen Instituten in der Nähe von großen Flughäfen und Bahnhöfen werden häufig radiologische Untersuchungen bei vermuteten Bodypackern durch die diese begleitenden Polizeibeamten angeordnet. Der mit der Situation konfrontierte diensthabende Arzt muss dann ad hoc und in der Regel ohne Überblick über die rechtliche Problematik entscheiden, ob er der Anforderung entspricht. Es ist wichtig zu betonen, dass er sich dafür mit der – von den Autoren treffend analysierten – prozessrechtlichen Problematik nicht auseinandersetzen muss. Sowohl Richter als auch Staatsanwalt als auch Polizeibeamte ab dem Dienstgrad des Kriminal- oder Polizeimeisters (2 Sterne auf der Epaulette) können mit gleicher Wirksamkeit – auch mündlich – den Arzt als Sachverständigen bestellen und eine verbindliche Untersuchungsanordnung erlassen (§§ 75, 81a StPO, 152 Abs. 2 GVG i. V. m. Landes-VO über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, Nrn. 69 ff\. RiStBV). Die Anordnung verpflichtet den Arzt, die Untersuchung (lege artis) durchzuführen. Ob die Beamten dabei innerhalb ihrer Eilkompetenz handeln, kann Einfluss auf die Verwertbarkeit der erlangten Beweismittel haben, ist aber für die Wirksamkeit der Anordnung gegenüber dem Arzt irrelevant. Empfehlenswert ist in jedem Fall, insbesondere bei mündlichen Anordnungen, die schriftliche Dokumentation von Namen und Dienststelle der anordnenden Beamten.

Die Anordnung der Strafverfolgungsbehörden nach § 81a StPO ersetzt eine fehlende Einwilligung des Beschuldigten, nicht jedoch die rechtfertigende Indikation. Diese muss, auch für eine aus forensischen Gründen angeordneten Untersuchung durch einen im Sinne der Röntgenverordnung fachkundigen Arzt gestellt werden (§ 25 RöV, BR-Drs. 230/02 S. 93f). Das gilt selbst dann, wenn der Beschuldigte in die Untersuchung einwilligt und dadurch eine Anordnung nach § 81a StPO entbehrlich wird. Dabei ist in Fällen der rein forensischen Indikation – mangels medizinischen Nutzens – der gesellschaftliche Nutzen gegen das individuelle Strahlenrisiko abzuwägen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 09.02.2011 – 4 Bs. 9/11). Hierbei ist auch die Wahl des angeordneten Untersuchungsverfahrens fachkundig zu überprüfen. Liegt bei abschließender Beurteilung keine rechtfertigende Indikation vor, ist auch eine angeordnete Untersuchung abzulehnen.

In solchen Fällen der Kollision oder Überschneidung von medizinischen und forensischen Bedürfnissen ist ein konstruktiver Dialog zwischen anordnenden Beamten und untersuchendem Arzt unerlässlich. Nur so kann sichergestellt werden, dass medizinischen und forensischen Belangen – im Rahmen der Indikationsstellung auf Seiten des Arztes und der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Seiten des Strafverfolgungsorgans – in angemessener Weise Rechnung getragen wird.

RA Dr. Jochen M. Grimm , Institut für Klinische Radiologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München

PD Dr. Dr. Stefan Wirth , Institut für Klinische Radiologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München

Prof. Dr. Maximilian F. Reiser , Institut für Klinische Radiologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München

Dr. Michael Scherr , Institut für Klinische Radiologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München

 
  • Literatur

  • 1 Pache G, Einhaus D, Bulla S et al. Niedrigdosis-Computertomografieprotokoll zur Detektion von Kokain-Bodypacks: Klinische Evaluation und rechtliche Aspekte. Fortschr Röntgenstr  2012;  184:  122-129
  • 2 Herbst M, Theurer D. § 81a StPO – Kompetenznorm im Spannungsfeld zwischen effektiver Strafverfolgung bei Trunkenheitsfahrten, Richtervorbehalt und Grundrechten des Beschuldigten. NZV 2010; 11: 544-547
  • 3 Maurer MH, Niehues SM, Schnapauff D et al. Low-dose computed tomography to detect body-packing in an animal model. Eur J Radiol 2011; 78: 302-306
  • 4 Peglau J. Richtervorbehalt bei Blutprobenentnahme – Anforderungen des BVerfG. NJW 2010; 39: 2850-2852