Rofo 2012; 184(4): 377-378
DOI: 10.1055/s-0031-1299348
Leserbrief
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Leserbrief zum Beitrag von Andresen R et al. Interventionelle Schmerztherapie mittels Ballon-Kyphoplastie bei Patienten mit osteoporosebedingten Insuffizienzfrakturen des Os sacrum. Fortschr Röntgenstrahlen 2012; 184: 32–36

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Publication Date:
17 March 2012 (online)

Leserbrief

Ziel des vorliegenden Beitrags von Andresen et al. soll es sein, Durchführbarkeit, Sicherheit und Schmerzreduktion durch eine Ballon-Kyphoplastie bei Insuffizienzfrakturen des Os sacrum nachzuweisen.

Die technische Machbarkeit ist bereits hinreichend belegt und hätte keiner Bestätigung bedurft [1] [2] [3]. Die für eine invasive Maßnahme bei einer selbstlimitierenden Beschwerdesymptomatik mit einer Dauer zwischen 6 – 15 Monaten zu fordernde Komplikationsrate im Promillebereich kann von der vorliegenden Studie aufgrund der geringen Fallzahl (n= 25) nicht bestätigt werden. Aus allen vorliegenden Studien lässt sich zwar eine schnell wirksame Schmerzreduktion mutmaßlich infolge der Polymerisationshitze ableiten. Die Effizienz der Therapie zu bestätigen würde aber auf jeden Fall eine Kontrollgruppe mit alternativer Therapie oder ohne jegliche Therapie erfordern. Die angegebenen VAS-Werte für 6 und 12 Monate werden üblicherweise auch im konservativen Verlauf erzielt [4].

Worüber die Untersuchungsserie keinen Aufschluss gibt, ist die grundsätzliche Sinnhaftigkeit einer Maßnahme, die bis heute nicht als validiert gelten kann und deren Anwendung im klinischen Alltag eine entsprechende Aufklärung über den experimentellen Charakter und die ungeklärten Langzeitergebnisse unter Einbeziehung einer Ethik-Kommission erfordert, die in der Methodik nicht erwähnt wird. Eine Ballon-Kyphoplastie unterbindet den natürlichen, evolutionär erprobten Heilungsprozess mit Pseudarthrose oder fibro-ossärer Union und zementiert im wahrsten Sinne des Wortes den spongiosfreien Raum einer Pseudarthrose. Das fehlende Auftreten von benachbarten Anschlussfrakturen im Beobachtungszeitraum kann nicht als Indiz für eine günstige biomechanische Beeinflussung des Os sacrum gewertet werden, da diese auch im Spontanverlauf nicht beobachtet werden.

Bedenklich ist die Propagierung einer experimentellen, biomechanisch fragwürdigen Maßnahme, wenn mit der perkutanen Schraubenosteosynthese eine etablierte knochenchirurgische Maßnahme zur Verfügung steht, die schnell und einfach unter CT-Kontrolle auch als interventionell-radiologische Maßnahme in 20 min ohne signifikantes Komplikationsrisiko erfolgen kann [5] [6]. Unsere Erfahrungen bei inzwischen ca. 100 CT-kontrollierten pelvinen Osteosynthesen bestätigen ebenfalls eine schnelle Schmerzreduktion, ohne die natürlichen Heilungsvorgänge zu beeinträchtigen. Eine Indikation für die Durchführung einer Sakroplastie könnte sich aus unserer Sicht allenfalls ergeben, wenn diese Maßnahme in einer kontrollierten Vergleichsstudie zur Schraubenosteosynthese einen signifikanten Vorteil zeigen würde.

G. Reuther , Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, Thüringen-Kliniken Saalfeld-Rudolstadt

U. Röhner , Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie, Thüringen-Kliniken Saalfeld-Rudolstadt

 
  • Literatur

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  • 3 Deen H, Nottmeier EW. Balloon kyphoplasty for treatment of sacral insufficiency fractures. Neurosurg Focus 2005; 18: 1-5
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  • 6 Jacob AL, Messmer P, Stock KW et al. Posterior pelvic ring fractures: closed reduction and percutaneous CT-guided sacroiliac screw fixation. Cardiovasc Intervent Radiol 1997; 20: 285-294
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  • 9 Whitlow CT, Mussat-Whitlow BJ, Mattern CWT et al. Sacroplasty versus vertebroplasty: comparable clinical outcomes for the treatment of fracture-related pain. Am J Neuroradiol 2007; 28: 1266-1270
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  • 11 Heß GM. Sakroplastie zur Behandlung von Insuffizienzfrakturen des Sakrums. Unfallchirurg 2006; 109: 681-686
  • 12 Nelson DW, Duwelius PJ. CT-guided fixation of sacral fractures and sacroiliac joint disruptions. Radiology 1991; 180: 527-532
  • 13 Fuchs T, Rottbeck U, Hofbauer V et al. Beckenringfrakturen im Alter. Die unterschätzte osteoporotische Fraktur. Unfallchirurg 2011; 114: 663-670