Klin Monbl Augenheilkd 2012; 229(2): 105
DOI: 10.1055/s-0031-1299233
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Strukturelle Veränderungen beim Glaukom

Morphological Changes in Glaucoma
C. Erb
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Publication Date:
14 February 2012 (online)

In diesem Jahr widmet sich das Schwerpunktheft Glaukom der strukturellen Diagnostik beim Glaukom, da diese Techniken in den letzten Jahren einen regelrechten Boom ausgelöst haben und in der allgemeinen Glaukomdiagnostik bereits als fester Bestandteil angesehen werden. Dabei geht die Einschätzung der Anwender zum Teil so weit, dass die bildgebenden Verfahren als ausreichend sicher eingeschätzt werden, um eine Progression festzustellen, und sogar, um sie als Frühdiagnostik zu verwenden. Dies wirft die Frage auf, inwieweit die bildgebenden Verfahren dem zeitlichen Prozess einer Nervenfaserschädigung und dem damit verbundenen Untergang der retinalen Ganglienzellen gerecht werden. Dabei ist bedeutsam, dass die retinalen Ganglienzellen durch die veränderten biochemischen Reaktionen beim Glaukom nicht sofort sterben und lytisch zerfallen, sondern zuerst von einem Funktions- in einen Erhaltungsstoffwechsel übergehen. Wenn die negativen Einflüsse persistieren, sterben die retinalen Ganglienzellen ab und es kommt zum Verlust der retinalen Nervenfasern. Erst jetzt können die bildgebenden Verfahren die Veränderungen nachweisen. Das bedeutet, dass nicht die derzeit klinisch vorhandenen bildgebenden Verfahren zuerst eine Glaukomprogression nachweisen können, sondern Funktionstests, allen voran die neueren perimetrischen Verfahren (zum Beispiel Frequenzverdopplungs- oder Flimmer-Perimetrie) und/oder spezielle elektrophysiologische Verfahren, die Veränderungen besser erfassen können. Nichtsdestotrotz haben bildgebende Verfahren heute ihren berechtigten Stellenwert in der Glaukomdiagnostik, wobei ihre Stärke vor allem in der Verlaufsbeobachtung einer glaukomatösen Optikusneuropathie liegt.

Im Beitrag von Mardin (Erlangen) werden die wichtigsten Papillenveränderungen gezeigt, die man auch ohne aufwendige Gerätetechnik mit der Ophthalmoskopie erfassen kann. Diese Erkenntnisse sind Grundlage jeder Glaukombeurteilung und sollten zum Basiswissen eines Ophthalmologen gehören. Zusätzlich ist die farbliche Einschätzung der Papille ausschließlich mit der Ophthalmoskopie möglich, sodass nur damit ihre Abblassung als Zeichen einer papillären Perfusionsstörung zu beurteilen ist.

Nachfolgend werden die drei wichtigsten bildgebenden Verfahren ausführlich erläutert. Dabei werden der Heidelberg Retina Tomograf (Burk, Bielefeld), das GDx (Kremmer und Selbach, Gelsenkirchen) und die optische Kohärenztomografie (Hoffmann, Mainz) in ihrer Technik und ihren klinischen Anwendungen genau beschrieben. Alle drei Artikel geben somit einen exzellenten Überblick über den derzeitigen Stand der jeweiligen Messtechnik.

Zusätzlich werden die strukturellen Veränderungen in der Sehbahn beim Glaukom (Michelson, Erlangen) vorgestellt. Diese Veränderungen finden zunehmend Beachtung in der Gesamtschau des glaukomatösen Prozesses und zeigen eindrücklich, dass die glaukomtypischen Auffälligkeiten sich nicht nur an der Papille, sondern auch im nachgeschalteten visuellen System, im corpus geniculatum laterale sowie im visuellen Kortex, abspielen.

Zusammenfassend ist für die Glaukomdiagnostik das Erfassen der strukturellen Veränderungen an der Papille und in Zukunft eventuell der kompletten Sehbahn ein wichtiger Bestandteil, auf den nicht verzichtet werden kann. Für die Frühdiagnostik sind sie aufgrund des Erfassens der bereits abgestorbenen Nervenfasern nicht geeignet. Durch das objektive Detektieren der Strukturveränderungen ist jedoch eine gute Verlaufsbeurteilung möglich, wenngleich nicht außer Acht gelassen werden darf, dass alle zurzeit verfügbaren Verfahren auch ihre Einschränkungen haben und einer Einarbeitung benötigen.

Carl Erb, Berlin

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