Notfallmedizin up2date 2012; 7(1): 73-88
DOI: 10.1055/s-0031-1298246
Spezielle Notfallmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Notfallsituationen während der Schwangerschaft

Alexander Strauss
,
Ibrahim Alkatout
,
Ivo Meinhold-Heerlein
,
Jan-Thorsten Gräsner
,
Carolin Strauss
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. März 2012 (online)

Kernaussagen

Hyperemesis gravidarum. Die Hyperemesis gravidarum ist eine dauerhafte Übelkeit mit Erbrechen vor der 20. SSW. Leichte Fälle behandelt man diätetisch, schwerere mit Nahrungskarenz und Infusionen (Vollelektrolytlösung und Glukose). In besonders schweren Fälle kann eine parenterale Ernährung mit Elektrolytsubstitution und antiemetischer Medikation erforderlich werden.

Blasenentleerungsstörung. Bei retrovertiertem Uterus kann sich der Fundus uteri unter dem Promontorium einkeilen und zur Kompression der Urethra führen. Die Blasenentleerungsstörung imponiert als akutes Abdomen. Eine Blasenentleerung über einen Katheter führt zur sofortigen Entlastung und evtl. auch zur Befreiung des eingekeilten Uterus. Dennoch ist eine Abklärung in der Klinik immer erforderlich.

Präeklampsie. Die Präeklampsie gehört zu den häufigsten schwangerschaftsbedingten Erkrankungen (5 %). Von schwerer Präeklampsie spricht man ab einem Blutdruck von 170/110 mmHg und einer gleichzeitigen Proteinurie von über 5 g/l. Um die plazentare Durchblutung nicht zu gefährden, ist eine Blutdrucksenkung erst ab 200/120 mmHg und dabei um nicht mehr als 10–20 % vorzunehmen.

HELLP-Syndrom. Das HELLP-Syndrom ist eine akut auftretende Erkrankung in Schwangerschaft und Wochenbett. Leitsymptome sind Schmerzen im rechten Oberbauch oder im Epigastrium. Die definitive Diagnose ist nur laborchemisch möglich (Transaminasenanstieg, Thrombozytopenie). Therapie der Wahl ist eine umgehende (Schnitt-) Entbindung.

Eklampsie. Bei der Eklampsie kommt es während der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett zu generalisierten tonisch-klonischen Krämpfen (in 60 % Entwicklung aus einer Präeklampsie). Die Therapie besteht aus dem medikamentösen Durchbrechen des Krampfanfalls. Sobald der Zustand der Patientin stabil ist, leitet man umgehend die Entbindung ein (Sectio caesarea).

Thrombose, Lungenembolie. Eine akute Lungenembolie kann als Komplikation einer Thrombose auftreten. Symptome sind thorakale, v. a. inspiratorische Schmerzen, Atemnot, Tachypnoe, Tachykardie und Zeichen der Rechtsherzbelastung. Die Symptome der auslösenden Thrombose können zum Zeitpunkt der Lungenembolie bereits abgeklungen ein. Die Therapie besteht aus der Sicherung der Vitalfunktionen und der Einleitung einer i. v. Heparinisierung.

Fruchtwasserembolie. Übertritt von Fruchtwasserbestandteilen in das Gefäßsystem der Mutter kurz vor oder unter der Geburt. Die Symptomatik ist unspezifisch und kann der einer Lungenembolie entsprechen (kardiorespiratorische Insuffizienz). Später kommt es zu einer massiven Gerinnungsstörung. Therapie wie bei Lungenembolie.

Vena-cava-Kompressionssyndrom. Kompression der großen Bauchgefäße durch den Uterus. Folge des verminderten HZV sind Übelkeit, Schwindel, Kaltschweißigkeit, Blässe, Blutdruckabfall, Tachykardie und schließlich Bewusstseinsstörung. Die wichtigste Maßnahme ist eine sofortige, adäquate Lagerung der Schwangeren in 15°-Linksseitenlage.

Vaginale Blutung. In der Frühschwangerschaft meist nur geringe Blutung. Im II. und III. Trimenon kann eine Blutung auf eine ernste Komplikation hinweisen (z. B. Abort, vorzeitige Plazentalösung, Placenta praevia). Eine umfassende Diagnostik und spezielle Therapie ist präklinisch nicht möglich.

Uterusruptur. Eine Uterusruptur ist selten, aber mit einer hohen Mortalität verbunden. Typische Symptomatik ist ein Sistieren der Wehentätigkeit nach einem Wehensturm. Rasch entwickelt sich ein hämorrhagischer Schock. Die Akuttherapie besteht aus der Stabilisierung der Vitalfunktionen mit einem systolischen Zielblutdruck von 120 mmHg und der Einleitung einer Tokolyse.

Vor der Schwangerschaft unabhängige Erkrankungen. Ab dem Beginn des II. Trimenons verlässt der Uterus das kleine Becken und ist erst dann durch ein Bauchtrauma gefährdet. Die Therapie entspricht wie auch bei anderen schwangerschaftsunabhängigen Erkrankungen und Verletzungen der Mutter dem Vorgehen bei Nichtschwangeren.