RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0031-1298245
Versorgung von Brandverletzten
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
06. März 2012 (online)
Verhalten am Notfallort. Am Notfallort besteht mitunter eine unklare Gefahrenlage. Bei der Rettung Brandverletzter ist unbedingt auf den Eigenschutz zu achten. Die Rettungsmaßnahmen müssen mit dem örtlichen Einsatzleiter koordiniert werden.
Sicherung der Vitalfunktionen. Der Verbrennungsschock ist ein hypovolämisch-kardiogener Schock, der sich zeitlich prolongiert manifestiert. Selbst Schwerbrandverletzte zeigen daher unmittelbar nach dem thermischen Trauma normotone Kreislaufverhältnisse. Eine initiale Hypotonie ist immer suspekt auf eine Begleitverletzung. Die oft beeindruckenden Lokalbefunde dürfen nicht von der primären Sicherung der Vitalfunktionen ablenken. Es gelten die grundsätzlichen Prinzipien der Notfallmedizin (ACB-Regel).
Wundbehandlung. Die Wundbehandlung am Notfallort muss äußerst zurückhaltend sein. Eine kurzzeitige, lokale Kühlung der Wunden (Leitungswasser, 15–20 °C) ist nur unmittelbar nach dem Trauma sinnvoll und daher als Maßnahme der Laienhilfe zu betrachten. In jedem Fall ist die Kühlung bei Verbrennungen mit über 10 % VKOF oder narkotisierten Patienten wegen Unterkühlungsgefahr kontraindiziert. Die verbrannten Areale deckt man mit sterilen oder keimarmen Verbänden ab und trifft Maßnahmen zum Wärmeerhalt (Wärmeschutzfolie). Spezielle Kühlsysteme sind nicht erforderlich. Zur Abschätzung des Verbrennungsausmaßes dient die Neuner-Regel nach Wallace bzw. die Handflächenformel.
Infusionstherapie. Periphere, möglichst 1–2 großlumige Zugänge kann man notfalls auch in frisch verbrannten Arealen anlegen. Die Infusionstherapie sollte so schnell wie möglich beginnen. Als Faustregel für schwerstverbrannte Erwachsene gilt eine Infusionsmenge von 0,5–1 l/h Kristalloid. Bei instabilen Kreislaufverhältnissen ist der Einsatz von Kolloiden und ggf. auch Katecholaminen möglich.
Atemwegsicherung, Analgosedierung. Die Mehrzahl der Brandverletzten bedarf keiner Intubation. Die Indikation muss individuell gestellt werden. Wegen der drohenden lokalen und generalisierten Ödembildung darf man bei ausgedehnten Verbrennungen (über 50 % VKOF) und bei tiefen Verbrennungen an Kopf und Hals den Zeitpunkt der Atemwegsicherung jedoch nicht verpassen. Bei der Narkoseführung besteht Methodenfreiheit. Für spontan atmende Patienten ist die titrierte Gabe von S-Ketamin in Kombination mit einem Benzodiazepin meist ausreichend.
Inhalationstrauma. Bis auf die Gabe von Sauerstoff gibt es keine spezifische Therapie beim Inhalationstrauma. Insbesondere die prophylaktische Gabe von Kortikoiden ist nicht indiziert. Bei schwerer Oxygenierungsstörung oder Bewusstseinstrübung ist die Intubation und Beatmung mit 100 % Sauerstoff erforderlich.
Verbrennungen bei Kindern. Besonderheiten des Kindesalters sind die Gefahr der raschen Auskühlung und der Entwicklung eines Schockes bei geringerem Verbrennungsausmaß. Maßnahmen zum Wärmeerhalt müssen daher besonders sorgfältig durchgeführt werden. Die Infusionstherapie wird kalkuliert mit 20 ml/kgKG/h. Thermische Verletzungen sind in bis zu 20 % der Fälle Folge einer Kindesmisshandlung. Entsprechende Hinweise sind der aufnehmenden Klinik mitzuteilen.
Stromverbrennungen. Der Schweregrad einer Stromverbrennung ist aufgrund der möglichen Beteiligung tieferer Strukturen anhand der verbrannten Körperoberfläche nicht sicher einzuschätzen. Begleitverletzungen durch Flucht- oder Abwehrbewegungen sind häufig. Eine kontinuierliche EKG-Überwachung ist während des Transports auch bei primär unauffälligen Patienten unbedingt notwendig.
Indikationen zur Verlegung in ein Brandverletztenzentrum. Die Indikation zur Verlegung in ein Brandverletztenzentrum ist großzügig zu stellen. Gesicherte Empfehlungen umfassen Verbrennungen III. Grades von mehr als 10 % VKOF, Verbrennungen durch elektrischen Strom, Inhalationstrauma, Verbrennungen II.–III. Grades unter Beteiligung des Gesichts, der Hände, Füße oder äußeren Genitalien, Verbrennungen bei Kleinkindern, älteren Patienten und Patienten mit schweren Vorerkrankungen oder Zusatzverletzungen (Polytrauma). Im Zweifelsfall sollte man mit dem nächstliegenden Verbrennungszentrum Kontakt aufnehmen und das weitere Vorgehen besprechen.
-
Literatur
- 1 Adams HA, Vogt PM. Die notfall- und intensivmedizinische Grundversorgung des Schwerbrandverletzten. Anästh Intensivmed 2010; 51: 90-112
- 2 Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin. Leitlinien und Denkschriften. http://www.verbrennungsmedizin.de
- 3 http://www.Feuerwehr.Hamburg.de
- 4 Trupkovic T, Giessler G. Das Verbrennungstrauma. Teil 1: Pathophysiologie, präklinische Versorgung und Schockraummanagement. Anaesthesist 2008; 57: 898-907
- 5 Spanholtz T, Theodorou P, Amini P, Spilker G. Versorgung von Schwerstverbrannten. Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 607-613
- 6 Klose R. Thermisches Trauma. In: Eckart J, Forst J, Burchardi H, Hrsg. Intensivmedizin. Landsberg/Lech: Ecomed; 2004. XIII-3 1-35
- 7 Beneker J, Martens D. Die präklinische Versorgung von Verbrennungspatienten. Intensivmed 2004; 41: 543-554
- 8 Gille J, Fischer H. Verbrennung. In: Hokema F, Kaisers UX, Hrsg. Anästhesie konkret. Köln: Deutscher Ärzteverlag; 2010: 506-520
- 9 Spelten O, Wetsch WA, Braunecker S, Genzwürker H, Hinkelbein J. Abschätzung des Substitutionsvolumens nach Verbrennungstrauma. Anaesthesist 2011; 60: 303-311
- 10 Cuttle L, Pearn J, McMillan J, Kimble R. A review of first aid treatments for burn injuries. Burns 2009; 35: 768-775
- 11 Jakobsson O, Arturson G. The effect of prompt local cooling on oedema formation in scalded rat paws. Burns 1985; 12: 5-15
- 12 Lönnecker S, Schoder V. Hypothermie bei brandverletzten Patienten – Einflüsse der präklinischen Behandlung. Chirurg 2001; 72: 164-167
- 13 Trupkovic T, Hoppe U, Kleinschmidt S, Sefrin P. Nutzen der Kühlung ungeklärt. Dtsch Aerztebl 2010; 107: 101
- 14 Bartley A, Edgar D, Wood F. Pharmaco-management of inhalation injuries for burn survivors. Drug Des Devel Ther 2008; 2: 9-16
- 15 Cha SI, Kim CH, Lee JH et al. Isolated smoke inhalation injuries: Acute respiratory dysfunction, clinical outcomes, and short-term evolution of pulmonary functions with the effects of steroids. Burns 2007; 33: 200-208
- 16 Maybauer MO, Rehberg S, Traber DL, Herndon DN, Maybauer DN. Pathophysiologie des akuten Lungenversagens bei Schwerbrandverletzten mit Inhalationstrauma. Anaesthesist 2009; 58: 805-812
- 17 Greenhalgh DG. Steroids in the treatment of smoke inhalation injury. J of Burn Care Res 2009; 30: 165-169
- 18 Gall T, Hoppe U, Wresch P, Klose R. Problematik der präklinischen Zyanid-Antidottherapie bei Brandverletzten mit Rauchgasinhalation. Notarzt 2000; 16: 56-60
- 19 Maybauer MO, Traber DL, Radermacher P, Herndon DN, Maybauer DN. Behandlungsstrategien des akuten Rauchgasinhalationstraumas. Anaesthesist 2006; 55: 980-988
- 20 Hoppe U, Klose R. Das Inhalationstrauma bei Verbrennungspatienten: Diagnostik und Therapie. Intensivmed 2005; 42: 425-439
- 21 Lieser U, Klohs G, Finke R. Schwere thermische Verletzungen im Kindesalter. Intensiv up2date 2006; 349-363
- 22 Herrmann B. Körperliche Misshandlung von Kindern. Monatsschr Kinderheilkd 2002; 150: 1324-1338
- 23 Baxter CR. Present concepts in the management of major electrical injury. Surg. Clin North Am 1970; 50: 1401
- 24 Muehlberger T, Krettek C, Vogt PM. Der Stromunfall. Unfallchirurg 2001; 104: 1122-1127
- 25 Lumenta DB, Kamolz LP, Frey M. Stromverletzungen. Wiener klinisches Magazin 2009; 12: 30-36
- 26 Klein M, Nathens A, Emerson D, Heimbach D, Gibran N. An analysis of the long-distance transport of burn patients to a regional burn center. J Burn Care Res 2007; 28: 49-55