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DOI: 10.1055/s-0031-1295375
Schwere nekrotisierende Fasziitis eines Beines durch A-Streptokokken unter der Geburt
Die nekrotisierende Fasziitis ist eine schwere und lebensbedrohliche Weichteilinfektion, die durch sich foudroyant ausbreitende Nekrosen der betroffenen Faszien und der darüberliegenden Haut gekennzeichnet ist und durch Mischinfektionen oder seltener durch Streptococcus pyogenes (Gruppe A-Streptokokken) verursacht wird.
Falldarstellung: Vorstellung einer anamnestisch bisher gesunden 22-jährigen IV-gravida, II-para in der rechnerisch 39+0 SSW am Abend des 18.07.09 mit starken Schmerzen, Schwellung und Rötung des rechten Unterschenkels nach Insektenstich am Vortag auf dem Fussrücken. In der chirurgischen Rettungsstelle zeigten sich nur leicht erhöhte Entzündungswerte und erhöhte Temperatur (37,5°C). Bei V.a. allergische Reaktion Gabe von 50mg Decortin®, 1 Amp. Fenistil® i.v. und wegen der starken Schmerzen auch 7,5mg Dipidolor® s.c.. Nach Übernahme in den Kreißsaal mit persistierenden Schmerzen und steigenden Temperaturen (38,6°C) sowie eingeschränkt-tachykardem CTG mit beginnender Wehentätigkeit bei unreifem Muttermund Gabe von 1,5g Cefuroxim® i.v. sowie symptomatische Therapie mit Cidegol®-Umschlägen und 1g Peralgan® i.v.; Schon zwei Stunden später Geburt eines lebensfrischen Mädchens (19.07.09, 03:26 Uhr). Intrapartal jedoch zunehmende Schwellung und diffuse Rötung und stärkste Beschwerden des rechten Beines. Am Morgen erneute chirurgische Vorstellung und dopplersonografischer Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose. Der Lokalbefund hatte sich auf den Oberschenkel ausgedehnt. Außerdem jetzt demarkierende Hautnekrosen und beginnende Spannungsblasen. An der Stelle des Insektenstiches über dem Mittelfuß rechts entleerte sich auf Druck Pus. So wurde wenige Stunden post partum bei V.a. nekrotisierende Fasziitis die Indikation zur operativen Exploration gestellt. Hier bestätigte sich der Verdacht einer fulminanten nekrotisierenden Fasziitis und es folgte ein erstes Wunddebridement mit partieller Faszienresektion und Faszienspaltung. Postoperativ floride Symptomatik mit Leukozytenanstieg, Fieber und Tachykardie. Am Folgetag erneut Debridement. Hierbei wegen massiver Schwellung auch Eröffnung der Faszie im Bereich des Oberschenkels. Intensivstation für 3 Tage. Beginn einer seriellen Behandlung in der Sauerstoff-Druckkammer unseres Klinikums bis zum 22.7.09. Die mikrobiologischen intraoperativen Abstriche ergaben S. pyogenes. Erneute chirurgische Evaluierung mit Verschluss der Inzisionen am Oberschenkel. Am Fußrücken und distalen Unterschenkel ab dem 24.07.09 neu aufgetretene Nekrosen, die großzügig entfernt wurden. Dann Anlage eines Vakuumverbandes. Die antibiotische Therapie wurde parenteral mit Penicillin und Gentamycin durchgeführt.
Streptococcus pyogenes als ursächlicher Keim bei nekrotisierender Fasziitis lässt sich seltener (15%) als polymikrobielle Infektionen finden, jedoch relativ häufiger bei Extremitätenbefall. Etwa 150 verschiedene Typen von Oberflächenantigenen sind für die große Vielfalt der Erkrankungen verantwortlich, die bis zur Sepsis und dem „streptococcal toxic shock syndrome“ (Letalitätsrate von 30–44%) reichen. Wachsende Raten und Schwere der nekrotisierenden Fasziitis korrelieren mit steigenden Anteilen toxinproduziernder Stämme von S. pyogenes. Die Koinzidenz zur Geburt wird in einer deutschen epidemiologischen Studie mit nur 4,2% angegeben, wobei hier 6 von 9 Fällen mit Puerperalsepsis eingegangen sind. Die nekrotisierende Fasziitis, hervorgerufen durch A-Streptokokken, stellt keine typische Erkrankung in der Geburtshilfe dar. Unsere Patientin entwickelte aus völliger Gesundheit nach minimalem Trauma eine lebensgefährliche Erkrankung und konnte erst nach knapp zwei Monaten, 19 Debridements, Vakuumversiegelungen und finaler Mesh-Graft-Hauttransplantation das Krankenhaus verlassen. Die schnelle Entbindung kann hierbei im Sinne der Patientin gesehen werden. Der Fall zeigt, wie notwendig schnelles Handeln und adäquate chirurgische sowie medikamentöse Therapie sind. Ebenso zeigt sich, dass nicht zwingend bekannte Ko-Morbiditäten und typische ätiologische Faktoren zu diesem Verlauf führen. Man lernt daraus, dass den oben beschriebenen klinischen Zeichen höchste Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, damit schnell gehandelt werden kann.
Literaturempfehlung
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Espandar R, Sibdari SY, Rafiee E, Yazdanian S: Necrotizing fasciitis of the extremities: a prospective study. Strategies Trauma Limb Reconstr 2011 [epub ahead of print].
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Huang KF, Hung MH, Lin YS, Lu CL, Liu C, Chen CC, Lee YH: Independent predictors of mortality for necrotizing fasciitis: a retrospective analysis in a single institution. J Trauma 2011; 71: 467–473.
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Hunter J, Quarterman C, Waseem M, Wills A: Diagnosis and management of necrotizing fasciitis. Br J Hosp Med (Lond) 2011; 72: 391–395.
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Lee KY, Sim JA, Lee SW, Kim TB, Yoon SJ, Park KS, Kim KH: Necrotizing fasciitis following transobturator tape procedure: a case report and literature review. Can Urol Assoc J 2011; 5: E65–68.
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Pour SM: Use of negative pressure wound therapy with silver base dressing for necrotizing fasciitis. J Wound Ostomy Continence Nurs 2011; 38: 449–52.