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DOI: 10.1055/s-0031-1295371
Östrogen, östrogenhaltige Kontrazeptiva und Psyche
Es ist unumstritten, dass Östrogene auf die Psyche und die psychische Entwicklung eines Menschen wirken. Kognitive Störungen oder eine Demenz sind häufiger, wenn frühzeitig die Ovarien entfernt werden und damit eine suffiziente Östrogenisierung sistiert. Um die Frage zu beantworten wird auf 3 Situationen eingegangen: a) Daten zu psychischen Störungen, Demen und Libido nach Ovarektomie; b) Daten zur quality of life, Demenz und Morbus Alzheimer unter einer Hormontherapie perimenopausal und c) Kombinierte Kontrazeptiva und ihr Einfluss auf psychische Komponenten.
Bei frühzeitiger Entfernung der Ovarien kommt es zu einer gestörten mentalen Gesundheit. Dieses Risiko wird durch die Einnahme von Östrogenen auf das Risiko von Kontrollpersonen reduziert. Depressive Symptome und Angststörungen sind bei frühzeitiger Ovarektomie häufiger – sprechen aber nicht gut auf eine Östrogentherapie an. Auch Libidostörungen sind nach beidseitiger Ovarektomie häufiger als bei Kontrollpersonen. Unklar ist, ob dies alleine auf die Ovarektomie zurückzuführen ist oder den operativen Eingriff an sich. Die Daten zu einem positiven Effekt einer Östrogentherapie sind widersprüchlich. Wenn die Libido vor dem operativen Eingriff in der Gesamtbeurteilung berücksichtigt wurde findet sich keine Änderung.
Insofern scheint es sich bei der Libido um einen multifaktoriellen Prozess zu handeln, der nicht ausschließlich auf die Östrogenisierung zurückzuführen ist.
Daten zur perimenopausalen Östrogenisierung haben mittlerweile sehr deutlich gezeigt, dass die Lebensqualität bei ansonsten beschwerdefreien Frauen (keine Hitzewallungen etc.) nicht positiv beeinflusst wird, wenn Östrogene eingenommen werden. Bekannt ist allerdings, dass mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit eines Morbus Alzheimer steigt. Eine Altersdemenz ist bei Frauen häufiger als bei Männern – in der sog. Cache County Study konnte demonstriert werden, dass die Wahrscheinlichkeit bei Frauen sich auf das Maß bei Männern reduzieren lässt, je länger östrogenhaltige Hormonpräparate peri- und postmenopausal eingenommen worden waren. Allerdings, das zeigen andere Daten, darf die Östrogenisierung nicht zu spät einsetzen und auf Gefäße treffen, die bereits vorgeschädigt sind. In dem Fall nimmt die vaskuläre Demenz zu, analog dem Schlaganfall-Risiko.
Zieht man ausschließlich prospektive, randomisierte placebokontrollierte Studien heran, so muss man zu dem Schluss kommen, dass insgesamt gesehen kombinierte Kontrazeptiva keinen relevanten Einfluss auf psychische Bereiche haben. Diejenigen Fälle, in denen trotzdem psychische Auffälligkeiten nach Beginn der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva beobachtet werden scheinen Einzelfälle zu sein. Zusammenfassend kann man festhalten: a) Ein Östrogeneffekt auf die Psyche ist unbestritten, b) bei frühzeitigem Östrogenentzug (Ovarektomie) sollte auch für die psychische Gesundheit unbedingt eine Östrogenisierung empfohlen werden und c) die Bedeutung von Östrogenen in der Hormontherapie oder kombinierten Kontrazeptiva auf psychische Komponenten ist unklar und wird wahrscheinlich meist überschätzt.
Literaturempfehlungen
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Sundermann EE, Maki PM, Bishop JR: A Review of Estrogen Receptor a Gene (ESR1) Polymorphisms, Mood, and Cognition. Menopause.2010, 17: 874–886.