Z Geburtshilfe Neonatol 2011; 215 - PO02_03
DOI: 10.1055/s-0031-1293319

Massives Polyhydramnion–was steckt dahinter?

T Fischer 1, S Auer 1, R Laux 2, R Hornung 1
  • 1Frauenklinik, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen, Schweiz
  • 2Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen, Schweiz

Ziel: Zuweisung einer 27j. G I mit unauffälliger Anamnese in der 26. SSW bei Polyhydramnie und vorzeitigen Wehen. AFI 51, Blase dilatiert, restliche Morphologie, Vmax der ACM, TORCH, Karyotypisierung und Herzechographie unauffällig. Ein Gestationsdiabetes wurde diätetisch eingestellt, erschien aber das massive Polyhydramnion nicht zu erklären. Tokolyse mit Nifedipin, Atosiban, Indometacin und Hexaprenalin. LRI in der 27.+34. SSW. Wegen Atemnot wurden 9 Entlastungspunktionen mit je 2000–2900ml durchgeführt. Fruchtwasser stets klar, Elektrolyte im FW unauffällig. Amniotomie in der 34+1 SSW unter Sicht. Aufgrund einer vaginalen Blutung, Indikation zur Notfallsectio. Intraoperativ zeigte sich eine vorzeitige Plazentalösung. Knabe: 1995g, pH NA 7,34, APGAR 0/5/6. Reanimation mit Maskenbeatmung und Herzmassage, nach 20 Min. Spontanatmung unter Raumluft. Unzureichende Gewichtszunahme. Blutchemisch erhöhte Harnstoffwerte, Hyponatriämie, Hypochlorämie, Hypokaliämie, Hyperreninämie und metabolische Alkalose. Molekulargenetisch zeigte sich ein Bartter-Syndrom Typ I.

Schlussfolgerung: Das Bartter-Syndrom ist eine autosomal-rezessiv vererbte renale Tubulopathie mit Defekt des renalen Chloridkanals CLC-Kb, die durch Hypokaliämie, metabolische Alkalose, Salzverlust, Hypotension und Hyperkalziurie charakterisiert ist. Es gibt 5 Typen. Prävalenz 1–9: 1000000 Lebendgeburten. Beim Typ I liegt eine Mutation SLC12A1/15q15-q21 vor, welche den NaK2Cl-Cotransporter im aufsteigenden Teil der Henleschen Schleife kodiert. Frühgeborene mit Bartter-Syndrom entwickeln in den ersten Monaten eine schwere Dehydratation, Polyurie, Polydipsie, normotonen Hyperreninismus, Gedeihstörung, Muskelschwäche und Obstipation. Therapie mit Kalium- und NaCl-Substitution, K-sparende Diuretika und Indometacin bei erhöhter Prostaglandinausscheidung. Unter adäquater Therapie ist eine fortschreitende Nephrokalzinose oder Niereninsuffizienz selten. Bei massivem Polyhydramnion sollte auch an seltene Ursachen gedacht werden.