Z Geburtshilfe Neonatol 2011; 215 - FV15_01
DOI: 10.1055/s-0031-1293294

HIV-Infektion und Schwangerschaft: Wäre ein Teil der Frühgeburten vermeidbar? – Ergebnisse zweier Kohorten aus Deutschland und der Schweiz

A Gingelmaier 1, K von Weizsäcker 2, K Aebi-Popp 3
  • 1Universitätsfrauenklinik der LMU München - Innenstadt, München
  • 2Klinik für Geburtsmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin
  • 3Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz

Ziel: Durch die antiretrovirale Kombinationstherapie während der Schwangerschaft kann die Wahrscheinlichkeit der Virusübertragung von HIV auf das Neugeborene auf unter 1% reduziert werden. Mehrere Studien fanden jedoch eine erhöhte Frühgeburtsrate bei HIV in Assoziation mit der antiretroviralen Therapie. Ziel folgender Analyse war unter anderem, Gründe für die Frühgeburtlichkeit bei HIV auch aus geburtshilflicher Sicht zu evaluieren.

Methodik: Prospektive Daten der Schweizer HIV-Mutter–Kind-Studie (MoCHiV) und Daten zweier Zentren in Deutschland (München und Berlin) wurden verglichen. Die Analyse bezieht sich auf die Angaben von 266 Mutter Kind Paare in der Schweiz(CH) und 343 Mutter Kind Paare in Deutschland (D) im Zeitraum von 2003–2009.

Ergebnis: Ein hohe Zahl in beiden Kollektiven erhielt die Diagnose der HIV- Infektion in der Schwangerschaft (CH: 25,2% und D: 30%). Die meisten Frauen in beiden Kollektiven (94% in der Schweiz/90% in Deutschland) bekamen während der Schwangerschaft eine antiretrovirale Kombinationstherapie. Es zeigte sich jeweils bei 79% (CH) und 61% der Schwangeren (D) eine Viruslast unter der Nachweisgrenze bei der Geburt. In beiden Kollektiven fand sich eine hohe Frühgeburtsrate; im Schweizer Kollektiv bei 25% und im deutschen Kollektiv bei 17%. Die Rate an späten Frühgeburten per Sectio ohne klare medizinische Indikation lag bei 6.8% (CH und D).

Schlussfolgerung: Die häufigen Erstdiagnosen während der Schwangerschaft in dieser Untersuchung unterstreicht die Bedeutung des HIV-Screening-Tests. Durch eine antiretrovirale Therapie lässt sich in der Mehrzahl der Fälle eine sehr gute Kontrolle der Viruslast bis zur Geburt erreichen und eine Transmission des HI Virus auf das Neugeborene meist vermeiden. Primäre Sectiones (vor 37 SSW) ohne geburtshilfliche Indikation aus Angst vor spontanem Wehenbeginn oder Blasensprung bei HIV sind daher vermeidbar. In den neuen Leitlinien wird die Spontangeburt bei nicht nachweisbarer Viruslast empfohlen.