Z Geburtshilfe Neonatol 2011; 215 - FV05_05
DOI: 10.1055/s-0031-1293238

Interventionsraten als Aspekt sozialer Ungleichheit

R Schäfers 1
  • 1Hochschule Osnabrück, Osnabrück

Ziel: Im Jahr 2009 betrug die Gesamtsectiorate in Deutschland 32,3%. Die Rate der Episiotomien belief sich auf 28,7% [1]. Demnach erlitten 61% der Frauen während der Geburt ihres Kindes eine iatrogen bedingte Verletzung. Der hohe Anteil erfordert eine kritische Reflexion möglicher beeinflussender Faktoren. Sozioökonomische Aspekte konnten bereits in anderen Zusammenhängen als entscheidende Einflussgrößen in der gesundheitlichen Versorgung identifiziert werden [2,3]. Geprüft wird deshalb, inwiefern sozioökonomische Aspekte auch im Hinblick auf geburtshilfliche Interventionen von Bedeutung sind.

Methodik: Sekundäranalyse der Daten von 1029 gesunden Frauen, die im Rahmen eines vom BMBF geförderten Forschungsprojektes (FKZ 01 GT 0616) zum Zeitpunkt der Geburt (t0) sowie acht Wochen (t1) und sechs Monate nach der Geburt (t2) durch die Hochschule Osnabrück erhoben wurden. Zielvariablen des regressionsanalytischen Modells sind die Sectio-, PDA- und Episiotomieraten. Netto-Äquivalenzeinkommen, Alter, akademischer Abschluss und Versichertenstatus dienen als unabhängige Variablen.

Ergebnis: Insgesamt haben Frauen der höchsten Einkommensklasse gegenüber Frauen der niedrigsten Einkommensklasse eine über dreifache Chance eine Sectio (OR 3,21 [95% KI 1,74–5,89], p < 0,001), eine Episiotomie (OR 3,55 [95% KI 2,15–5,87], p < 0,001) und/oder eine PDA (OR 3,38 [95% KI 2,12–5,37], p < 0,001) adjustiert nach Alter, akademischem Abschluss und Versichertenstatus, zu erhalten. Stratifiziert nach Parität bleiben die Unterschiede hinsichtlich der Episiotomie signifikant (OR 2,19 [95% KI 1,15–4,16]; p=0,017).

Schlussfolgerung: Ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und den Interventionsraten konnte aufgezeigt werden. Worauf sich dieser begründet ist unklar. Als mögliche Ursache könnten ein Zusammenspiel eines gesellschaftlichen Codes und der beruflichen Sozialisation von Hebammen, Ärztinnen und Ärzten diskutiert werden. Dezidierte Forschung hierzu steht noch aus.

Literatur: [1] AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH. Bundesauswertung zum Verfahrensjahr 2009 - 16/1 – Geburtshilfe. 2010. [2] Mielck A. Soziale Ungleichheit und Gesundheit: Einführung in die aktuelle Diskussion. Bern: Huber 2005. [3] Simoes E.; Kunz S.; Bosing-Schwenkgelenk M.; Schmahl F.W. Psychosoziale Risikofaktoren in der Schwangerschaft. Psychneuro 2004; 30 (6): 342-347.