Zentralbl Chir 2011; 136 - V_26
DOI: 10.1055/s-0031-1288990

Die Implantation einer Schließmuskelprothese als Lösungsansatz für die religiös-kulturelle Problematik eines Stomas bei muslimischen Patienten

P Oetting 1, R Siegel 1, MM Heiss 1
  • 1Krankenhaus Merheim der Städtischen Kliniken Köln, Klinikum der Universität Witten/Herdecke, Klinik für Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie, Köln, Germany

Einleitung: Das Gebet ist eine der 5 Säulen des Islam. Um ein Gebet verrichten zu können, bedarf es der rituellen Reinheit. Diese Reinheit erlangt man durch eine „Gebetswaschung„. Treten während des Gebetes Umstände auf, welche einen „Unrein„ werden lassen, muss der Gläubige ggf. die „Gebetswaschung„ wiederholen. Als „Unrein„ gilt auch ein Gläubiger, bei welchem sich während des Gebetes Stuhl über ein Stoma entleert. Dadurch kann es bei muslimischen Stomaträgern aus religiös-kulturellen Gründen zu einer Isolierung kommen.

Die vorgestellte Kasuistik eines arabischen Patienten mit komplett fehlendem Ano-Rektum und Sphinkterapparat nach Pfählungsverletzung beschreibt unser Vorgehen zur vollwertigen Reintegration in seine Kulturgesellschaft mittels kolo-perinealer „Durchzugs„-Operation und Implantation eines künstlichen Schließmuskels.

Patient und Methode: Der 30-jährige Patient erlitt im Rahmen eines Verkehrsunfalls u.a. eine Pfählungs-Verletzung mit Zerstörung des Sphinkterapparates, eines großen Teils der Beckenboden- und der Glutealmuskulatur. Im Heimatland erfolgte eine plastisch-chirurgische Beckenbodenrekonstruktion sowie Anus-praeter-Anlage. Wir besprachen mit dem Patienten eine 3-zeitige Rekonstruktion. Es erfolgte im ersten Schritt die Auflösung des Kolostoma und eine kolo-perineale „Durchzugs„-Operation sowie die Anlage eines Loop-Ileostomas. 3 Monate später erfolgte die Implantation eines künstlichen Schließmuskels (A.M.I. – Soft Anal Band System). Weitere 3 Monate später wurde die Ileostomarückverlegung durchgeführt.

Ergebnis: Der peri- und post-operative Verlauf gestaltete sich jeweils komplikationslos. Nachdem der Patient mit der Bedienung des künstlichen Schließmuskels vertraut war wurde das Ileostoma zurückverlegt. Anschließend erfolgte eine Stuhlregulierung mit dem Ziel eines geformten Stuhls. Aufgrund des fehlenden Ano-Rektums und der Verletzung der entsprechenden Nervenbahnen durch das Trauma fehlte dem Patienten der Defäkationsreflex. Hierfür erlernte er die Irrigation. Der Patient ist 6 Monate nach Entlassung mithilfe des künstlichen Schließmuskels für geformten Stuhl voll kontinent.

Schlussfolgerung: Auch bei komplett fehlendem Sphinkterapparat kann eine zufriedenstellende Kontinenz durch Implantation einer Schließmuskelprothese erreicht werden. Die beschriebene Technik kann muslimischen Patienten z.B. auch nach Rektumamputation helfen, eine „rituelle Reinheit„ zurück zu erlangen und somit am religiösen Gemeindeleben teilzunehmen.