Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - R_4
DOI: 10.1055/s-0031-1286487

Fertilitätserhaltende Maßnahmen bei prämenopausalen Frauen mit Autoimmunerkrankung vor einer zytotoxischen Therapie – Implementierung in die klinische Routine

M Henes 1, JC Henes 2, M Schmalzing 2, E Neunhoeffer 1, I Kötter 2, B Lawrenz 1
  • 1Universitätsfrauenklinik Tübingen, Universitätsklinikum Tübingen
  • 2Zentrum für Interdisziplinäre Klinische Immunologie, Rheumatologie und Autoimmunerkrankungen – INDIRA und Abteilung für Innere Medizin II (Onkologie, Haematologie, Immunologie, Rheumatologie, Pulmologie), Universitätsklinikum Tübingen

Fragestellung:

Ist eine Beratung bezüglich Fertilitätserhalt vor einer Cyclophosphamidtherapie bei Autoimmunerkrankungen wichtig und welche Wechselwirkungen sind zu bedenken?

Methode:

Wir analysierten im Zeitraum von Januar 2008 bis September 2010 die Wahl der fertilitätsprotektiven Maßnahmen bei dem speziellen Kollektiv von Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen.

Ergebnisse:

Im Beobachtungszeitraum wurden in der Kinderwunschsprechstunde der Universitätsfrauenklinik Tübingen 16 Patientinnen mit Autoimmunerkrankung vor einer Cyclophosphamid-Therapie beraten. Die Patientinnen waren durchschnittlich 25 (15–40) Jahre alt. Die meisten Patientinnen (56%) litten an einem systemischen Lupus erythematodes. Weitere Erkrankungen waren eine diffus kutane Sklerodermie, eine schwere Takayasu-Arteriitis, eine therapierefraktäre okuläre Vaskulitis oder eine schwere Panarteriitis nodosa. 15 Frauen (94%) hatten keine Kinder, lediglich eine Patientin (6%) hatte ein Kind. Das vor der Therapie bestimmte Anti-Müller-Hormon als Parameter für die ovarielle Reserve lag im Durchschnitt bei 2,6µg/l, wobei 3 Patientinnen (19%) bereits vor der Therapie sehr niedrige Werte aufwiesen. 15 (94%) Patientinnen entschieden sich für eine fertilitätsprotektive Maßnahme und 5 für eine Kombination mehrerer Maßnahmen. Eine Stimulationsbehandlung wurde aufgrund des Zeitaufwands und der Kontraindikationen nicht durchgeführt.

Schlussfolgerung:

Da der Erkrankungsgipfel bei vielen Autoimmunerkrankungen im gebärfähigen Alter liegt kommt einer Beratung bezüglich Fertilitätserhalt vor einer Cyclophosphamidtherapie eine wichtige Rolle zu. Da manche Therapieoptionen Einfluss auf die Grunderkrankung nehmen können, stellt diese Beratung eine interdisziplinäre Herausforderung dar.

Die wenigen existierenden Studiendaten zeigen gerade für die Therapie mit GnRH-Analoga während einer Cyclophosphamid-Therapie bei Autoimmunerkrankungen eine gute Effektivität bei der Ovarprotektion Die Kryokonservierung von Ovargewebe stellt aktuell noch ein experimentelles Vorgehen dar. Gerade bei jungen Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen und sehr guter Langzeitprognose handelt es sich hierbei um eine vielversprechende Option. Mit einer Therapieverzögerung ist nicht zu rechnen. Das Risiko einer hormonellen Stimulation zur Kryokonservierung befruchteter oder unbefruchteter Eizellen muss mit der Patientin besprochen werden. Bei Kollagenosen kann die hochdosierte Hormonzufuhr zur Stimulation zu einer Verstärkung der Krankheitsaktivität und einem erhöhten Thromboembolierisiko führen.