Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - G_3
DOI: 10.1055/s-0031-1286409

Entbindung versus Prolongation der Schwangerschaft – Bedeutung des Interleukin 6 im Fruchtwasser in der Entscheidungsfindung bei vorzeitiger Wehentätigkeit und V.a. Amnioninfektionssyndrom

C Hübener 1, M Delius 1, C Deppe 1, A Schulze 1, M Vogeser 2, T Kirchner 3, S Schubert 4, U Hasbargen 1, K Friese 1
  • 1Neonatologie am Perinatalzentrum Großhadern, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Großhadern
  • 2Institut für klinische Chemie, Klinikum der Universität München, München
  • 3Pathologisches Institut der LMU, München
  • 4Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der LMU, Standort Großhadern, München

Fragestellung:

Ermöglicht die Bestimmung von IL-6 im Fruchtwasser bei sonst fehlendem Infektionsfokus die sichere Beurteilung des intrauterinen Kompartimentes bei vorzeitiger Wehentätigkeit und erhöhten maternalen Entzündungsparametern?

Methode:

In einem Pilotprojekt wurde am Perinatalzentrum Großhadern bei 60 Schwangeren unter 34 abgeschlossenen Schwangerschaftswochen mit vorzeitiger Wehentätigkeit (zervixwirksamen Kontraktionen, Tokolysepflichtigkeit) und erhöhten Entzündungsparametern (C-reaktives Protein/Leukozytose/erhöhtes Serum-IL-6) bei sonst fehlendem Infektionsfokus eine Amniozentese zur Bestimmung von Glukose, Gesamtzellzahl und IL-6 sowie Anlegen eines Gram-Präparats und mikrobiologischer Kultur durchgeführt. Zusätzlich wurde die maternale Glukose aus dem Serum bestimmt.

Anhand dieser Parameter erfolgte die Indikation zur Prolongation der Schwangerschaft unter tokolytischer Therapie oder zur Entbindung.

Ergebnisse:

27 von 60 Schwangeren zeigten in der Amnionflüssigkeit ein IL-6 >20 000 pg/ml und wurden entbunden. Von diesen wiesen 23 eine auffällige Plazentahistologie (Amnionitis oder Chorioamnionitis) auf. Bei den vier Fällen ohne histopathologische Entzündungszeichen fand sich zweimal eine deutliche Erhöhung des kindlichen IL-6 innerhalb der ersten 24 Lebensstunden auf >1000 pg/ml. In einem Fall war das kindliche IL-6 nur grenzwertig erhöht (>50 pg/ml), jedoch die mikrobiologischen Abstriche des Kindes auffällig. Im vierten Fall waren die Plazentahistologie und auch die kindlichen Infektionszeichen negativ. Klinisch zeigte sich eine progrediente Zervixinsuffizienz mit prolabierender Fruchtblase. Die vier Fälle mit negativer Plazentahistologie zeigten niedrigere maternale CRP-Werte als die 23 Fälle mit auffälliger Plazentahistologie.

In der Gruppe der prolongierten Schwangerschaften mit IL-6 Werten <20 000 pg/ml betrug das Amniozentese-Entbindungsintervall durchschnittlich 29 Tagen (Minimum 0, Maximum 90 Tage). Alle untersuchten Plazenten in dieser Gruppe waren entzündungsfrei.

Schlussfolgerung:

Die IL-6 Bestimmung im Fruchtwasser mit einem cut-off-Wert von 20 000 pg/ml ermöglicht, bei sonst fehlendem Infektionsfokus, die sichere Beurteilung des intrauterinen Kompartimentes bei vorzeitiger Wehentätigkeit und erhöhten Entzündungsparametern.

IL-6 aus dem Fruchtwasser ist ein sensitiver Marker mit hoher Spezifität und korreliert mit Plazentahistologie sowie kindlichen Infektionszeichen.