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DOI: 10.1055/s-0031-1284653
Homo Ludens. Philosophische und anthropologische Aspekte des Spiels
In Schillers berühmten Satz, „der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (1795), spricht sich die Grunderfahrung des Homo Ludens aus. Das Spiel, so lässt sich aus antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Spieltheorien entnehmen, stellt eine ganz besondere Weise der Weltaneignung dar. Ein Spiel funktioniert nur dann wenn die Spieler das spielende Tun radikal ernst nehmen (H.G. Gadamer 1960), und es im Spiel zu einer guten Selbstvergessenheit und Selbsttranszendenz kommt. Diesem im Spiel immer schon angelegten Ernst, der von J. Huizinga (1939) als „heiliger Ernst“ charakterisiert wird, verdanken wir letztlich alle Leistungen der Kultur, so ein gängiger Topos der Spielanthropologie. Am Anfang war das Spiel und aus dem Spiel ist die Kultur entsprungen. Die zweite, von Huizinga aufgestellte These, dass sich im historischen Längsschnitt betrachtet der Spielcharakter aus der Kultur immer mehr verflüchtigt und der Ernst in der Kultur zugenommen hat, sich an die Stelle des Lustprinzips immer mehr das Realitäts- und Leistungsprinzip drängt, wird im Vortrag ebenso verfolgt wie die unlängst von R. Pfaller (2002) herausgestellten Zusammenhänge zwischen Spiel, Sucht, Zwang und Ernst. Schließlich wird argumentiert, dass jede Rauscherfahrung letztlich etwas mit dem Spiel zu tun hat (M. Poltrum 2011), und dass die Spielsucht die eigentliche Ur-sucht darstellt. Der Blick auf vormoderne Spielkonzeptionen zeigt darüber hinaus, dass nicht nur der Mensch zum Menschen wird wenn er spielt, sondern dass das Spiel die einzige Tätigkeit ist, die dem Deus würdig ist, der daher konsequenterweise als Deus Ludens gedacht wurde. Wo Gott ein Spieler ist, wird die Welt insgesamt als Spielgeschehen gedacht (H. Rahner 1952). In der Spielsucht, in der das magische Denken eine große Rolle spielt, meldet sich ein Denktypus, der seinen Ursprung in der Religion hat (S. Freud 1912). Das lässt vermuten, dass eine unbewusste Religiosität (V. Frankl 1997) im Hintergrund der Spielsucht zu finden ist.
Literatur: Friedrich Schiller (1795), Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, Berghahn, Klaus L. (Hrsg.), Stuttgart: Reclam 2000; Hans-Georg Gadamer (1960), Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen; Johan Huizinga (1939), Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Hamburg: Rowohlt 1956; Robert Pfaller (2002), Die Illusionen der anderen. Über das Lustprinzip in der Kultur, Frankfurt am Main: Suhrkamp; Martin Poltrum (2011), Musen und Sirenen. Ein Essay über das Leben als Spiel, Berlin: Parodos; Hugo Rahner (1952), Der Spielende Mensch: Einsiedeln; Sigmund Freud (1912) Totem und Tabu. Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker, in: S. Freud, Studienausgabe Bd. IX, Frankfurt am Main 1974; Viktor Frankl (1997), Der unbewußte Gott. Psychotherapie und Religion, München: DTV, 4. Auflage
Anthropologie - Philosophie - Spiel - Spielsucht