Gesundheitswesen 2011; 73 - A122
DOI: 10.1055/s-0031-1283620

Kulturelles Kapital und gesundheitsrelevantes Handeln: Ein Pfadmodell zum Vergleich von familialen und persönlichen Ressourcen.

D Schori 1, T Abel 1
  • 1Universität Bern, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Bern

Hintergrund: In der Bevölkerung sind materielle und immaterielle Ressourcen wie Bildung, Einkommen, sozialer Status etc. ungleich verteilt. Die Lebensstilforschung hat gezeigt, dass diese Ressourcen mit gesundheitsrelevanten Einstellungen und Verhaltensweisen assoziiert sind. Dieser Zusammenhang kann u.A. auf unterschiedliche Existenzbedingungen zurückgeführt werden, die während der Phase der Sozialisation in der Herkunftsfamilie herrschen. Bislang hat die Lebensstilforschung zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt, um die verfügbaren Ressourcen zu operationalisieren: Bei erwachsenen Personen, deren sozioökonomische Position gefestigt ist, werden diejenigen Ressourcen gemessen, über die diese Personen verfügen (eigenes Haushaltseinkommen, eigener Bildungsabschluss, etc.). Bei Kindern oder Jugendlichen, deren sozioökonomische Position noch stark mit der Herkunftsfamilie assoziiert ist, werden diejenigen Ressourcen gemessen, über die ihre Eltern verfügen (elterliches Haushaltseinkommen, elterlicher Bildungsabschluss, etc.) Die vorgestellte Analyse differenziert zwischen familialen und persönlichen Ressourcen von jungen Erwachsenen und ermöglicht so eine vergleichende Betrachtung der Assoziationen zwischen familialen und persönlichen Ressourcen und gesundheitsrelevantem Handeln. Sie geht von Bourdieus (1983) differenziertem Kapitalbegriff aus, der auch in der Forschung zur gesundheitlichen Ungleichheit zunehmend gebraucht wird (Abel 2008). Daten und Methoden: Datengrundlage bildet eine Querschnitterhebung mittels Fragebogen bei 19-jährigen Männern mit Schweizer Staatsbürgerschaft aus dem Jahr 2010 (N=16 000). Die Ressourcenindikatoren wurden in Anlehnung an Bourdieus Kapitaltheorie spezifisch für die Erhebung ausgewählt und teilweise neu entwickelt: Haushaltseinkommen (ökonomisches Kapital), elterliche Bildung (kulturelles Kapital) und das familiale Beziehungsnetz (soziales Kapital) werden als familiale Ressourcen betrachtet, eigene Bildung und das persönliche Beziehungsnetz als persönliche Ressourcen. Das hier vorgestellte Strukturgleichungsmodell mit latenten Variablen ermöglicht es, die Stärke der Assoziationen zwischen den unterschiedlichen Ressourcen und den gesundheitsrelevanten Einstellungen und Verhaltensweisen simultan zu schätzen und damit den komplexen theoretischen Anforderungen gerecht zu werden. Ergebnisse: Zurzeit liegen erste deskriptive Daten vor. Die Pfadmodelle befinden sich in Entwicklung. Die zu erwartenden Ergebnisse auf der Basis simultaner Schätzungen erlauben eine differenzierte Betrachtung und Gewichtung familialer und persönlicher Ressourcen und ihrer Assoziationen mit gesundheitsrelevantem Verhaltensweisen und Einstellungen.

Literatur:

Abel, T. (2008). Cultural capital and social inequality in health. Journal of Epidemiology and Community Health, 62(7), e13. Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. Soziale Welt, Sonderband 2: Soziale Ungleichheiten, 183–198.