Gesundheitswesen 2011; 73 - A371
DOI: 10.1055/s-0031-1283546

Prävention in der Priorisierungsdiskussion

T Meyer 1, U Walter 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Einleitung/Hintergrund: In der gesundheitspolitischen Diskussion in Deutschland wird zunehmend das Konzept der Priorisierung thematisiert. Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Prävention in dieser Diskussion zukommt und wie Prävention in der Priorisierungsdiskussion anderer Länder eingeordnet wird. Daten und Methoden: Auf der Grundlage von zwei Länderstudien aus Schweden und Dänemark (Meyer & Raspe 2009, Raspe & Meyer 2009, Pornak, Meyer & Raspe i. Druck) sowie den gegenwärtig in Deutschland diskutierten Priorisierungskriterien sollen unterschiedliche Bedeutungen von Prävention in den Priorisierungsdiskussionen herausgearbeitet werden. Ergebnisse: Die erste uns bekannte explizite Priorisierungsaktivität im gesundheitspolitischen Kontext erfolgte 1974 in Dänemark im Rahmen einer Regierungskommission, die übergeordnete Prioritäten des nationalen Gesundheitswesens festlegen sollte. Zur effektiven Bekämpfung epidemiologisch bedeutsamer Erkrankungen sollte bei der Ressourcenverteilung die Prävention zu Lasten der Behandlung von Krankheiten höher gewichtet werden. Auch die schwedische Parlamentskommission zur Prioritätensetzung in der Medizin gab der Prävention (und Rehabilitation) eine hohe Priorität gleich nach Maßnahmen zur Behandlung schwerer bzw. bedrohlicher akuter Erkrankungen. Bei den Priorisierungskriterien dominieren in allen Ländern, auch in der deutschen Diskussion, die Schwere der Erkrankung und der Nutzen der Maßnahme (=Bedarf) als wichtiges Priorisierungskriterium. Der direkte Vergleich mit kurativen Maßnahmen kann dazu führen, das präventive Maßnahmen aufgrund einer aktuell nicht vorhandenen oder geringen Krankheitsschwere, einer für die Mehrzahl der Personen positiven Prognose und des schwerer nachweisbaren Nutzens für den Einzelnen eher posteriorisiert werden. Diskussion/Schlussfolgerungen: Präventionsmaßnahmen werden in der Priorisierungsdiskussion sehr unterschiedlich bewertet. Im Sinne einer horizontalen, eher politisch determinierten Priorisierung erhält Prävention einen herausragenden Stellenwert. Unter Berücksichtigung von verbreiteten, an der Versorgung orientierten Priorisierungskriterien, insbesondere der Erkrankungsschwere und des Ausmaßes des Nutzens der Maßnahme, können nur sehr vereinzelt präventive mit kurativen Maßnahmen ähnlich hoch priorisiert werden. Pro und Contra gemeinsamer bzw. grundsätzlich unterschiedlicher Priorisierungskriterien präventiver und kurativer Maßnahmen werden diskutiert.

Literatur:

Meyer T, Raspe H (2009) Das schwedische Modell der Priorisierung medizinischer Leistungen: theoretische Rekonstruktion, europäischer Vergleich und Prüfung seiner Übertragbarkeit. Hintergrund und erste Ergebnisse. In: WA Wohlgemuth & MH Freitag (Hrsg.): Priorisierung in der Medizin – Interdisziplinäre Forschungsansätze. Berlin: MWV: S.89 –118 Pornak S, Meyer T, Raspe H (i. Druck) Priorisierung in der Medizin. Was können wir von Dänemark lernen? Gesundheitswesen Raspe H, Meyer T (2009) Priorisierung: vom schwedischen Vorbild lernen. Deutsches Ärzteblatt 106: A1036- A1039