Gesundheitswesen 2011; 73 - A26
DOI: 10.1055/s-0031-1283397

Schichtspezifische Sozialisation – wie tragfähig ist der Theorierahmen zur Erklärung ungleichen Gesundheitsverhaltens?

U Bauer 1
  • 1Universität Duisburg-Essen, Essen

Die schichtspezifische Sozialisationsforschung ist in der Debatte über ungleiche Bildungschancen lange Zeit populär gewesen, wurde aber in der internationalen Diskussion ab dem Ende der 1970er Jahre verworfen. Der Hauptvorwurf beinhaltete, dass die zu Grunde liegende Handlungs- und Subjektkonzeption zu passiv konnotiert und dass die leitende Annahme einer zirkulären Ungleichheitsreproduktion empirisch nicht belastbar sei. Seither liegen sozialisationstheoretische Ansätze brach, die die Transmission von ungleichen Lebensbedingungen in ungleiche Verhaltensmuster zu fassen versuchen. Dass die inzwischen virulente Doppelthematik ungleicher Bildungs- und Gesundheitschancen die theoretische Arbeit neu herausfordert, lässt das Erbe der schichtspezifischen Sozialisationsforschung erneut aktuell werden. Heute indes können Theoriebausteine eingeschlossen werden, die sowohl die Fortschritte der sozialwissenschaftlichen Ungleichheitsforschung als auch jüngere akteurs- und handlungsorientierte Ansätze der Entwicklungs- und Sozialpsychologie berücksichtigen. Der Vortrag soll die Umrisse des Paradigmas ungleichheitsorientierter Sozialisationsforschung skizzieren. Dabei werden die Grundlagen einer Theorie diskutiert, die den Einfluss ungleicher Ressourcenausstattungen für die Ausbildung ungleicher gesundheitsrelevanter Verhaltensmuster beschreiben kann, ohne einerseits in strukturdeterministische noch andererseits in voluntaristische Widersprüche der Theoriebildung einzumünden.