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DOI: 10.1055/s-0031-1283310
Minimal-invasive Implantatbettgestaltung – Knochen spreizen und kondensieren
Publication History
Publication Date:
23 August 2011 (online)
Dr. Martin Popp studierte von 1990-1995 an der zahnmedizinischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, Staatsexamen 1995 mit Verleihung des Adolf-und-Inka-Lübeck-Preises. 1998 Promotion und Niederlassung in eigener Praxis. Implantologische Tätigkeit seit 1998, 2005 Zertifizierung zum "Spezialist Implantologie - DGZI".
? Herr Dr. Popp, was war Ihr Eindruck, nachdem Sie MaxilloPrep Spread-Condense zum ersten Mal eingesetzt haben?
Dr. Popp: Das Arbeiten mit Osteotomen ist ja hinlänglich bekannt - eine Methode, bei der in der Vergangenheit der Patient das Gefühl hatte, dass ihm (salopp gesagt) gleich das Gehirn herausgeschlagen wird. Mir imponierte vor 2 Jahren die Vorstellung, dass es mit dem MaxilloPrep-System nun die Möglichkeit einer für den Patienten viel schonenderen Knochenpräparation gibt und gleichzeitig der ortsständige Knochen für eine weiterführende Implantatlagerbildung besser aufbereitet werden kann. Für mich ist seitdem das Spreizen und Kondensieren von Knochen der Standard bei jeder Operation.
? Nennen Sie typische Indikationen, wann die Condenser-Schrauben für Sie besonders wertvoll sind!
Dr. Popp: In meiner Praxis ist die typische Indikation für das MaxilloPrep-System der OK-Seitenzahnbereich bei einer Knochenqualität D3-D4. Das Bone Condensing, durch das ich eine eindrucksvolle Verdichtung und Primärstabilität erhalte, kombiniere ich dabei gerne mit einem Sinuslift.
Eine weitere wichtige Indikation sehe ich bei extrem schmalen Kieferkämmen. Vor der Kieferkammspreizung setze ich zuerst mit der Schallsäge SFS100 bzw. 102 der Firma Komet einen Entlastungsschnitt, bevor ich die Kierferkammspreizung vornehme.
? Sie arbeiten für den Entlastungsschritt nicht rotierend, sondern mit einem Schallinstrument?
Dr. Popp: Ja, und bin begeistert! Bisher habe ich hierfür dünne Fräser verwendet, doch durch die rotierende Bewegung dieser Instrumente besteht die Gefahr abzurutschen. Sie produzieren einen Spalt von etwa 1,5 mm, was ich mir bei besonders schmalen Kieferkämmen gar nicht leisten kann - Knochen, der unwiederbringlich verloren ist! Mit der Sonosurgery Schallsäge ziehe ich Schnitte von nur 0,25 mm Breite. Nehmen wir als Beispiel eine gut 2 mm dünne Kieferkammspitze: Mit der Schallsäge verbleiben mir dann bukkal und lingual immer noch geschätzte 1mm Knochen - das genügt, um als Leitschiene für die spätere Knochenbildung zu dienen.
? Es klingt aber heikel, solch einen dünnen Knochen anschließend zu spreizen!
Dr. Popp: Das oberste Gebot lautet: vorsichtig, mit viel Gefühl und Entlastung sowie genug Zeit arbeiten. Ich verlasse mich inzwischen voll und ganz auf mein taktiles Empfinden, denn der Widerstand des Knochens gibt mir vor, mit wie viel Druck ich arbeiten darf. Ich schraube die Instrumente in aufsteigendem Durchmesser vorsichtig und langsam ein, wobei ich immer die Elastizität und das Verhalten des umgebenden Knochens im Auge behalte.
? Ich höre hier Ihre große Erfahrung heraus, aber wie soll ein Anfänger mit der Methode starten?
Dr. Popp: Sicherlich nicht mit einem 2 mm breiten Kieferkamm! Vielmehr empfehle ich für den Start im Bone Spreading z. B. ein 4,75 mm Implantat, das im UK-Zahn 6 bei einer Kieferkammbreite von mind. 5 mm gesetzt werden soll. Hier sollte bei genug ortsständigem Knochen nichts so schnell brechen und die Mobilisierung kann in Ruhe so weit erfolgen, bis die Knochenlamellen spannungsfrei dem Implantat anliegen. Von Fall zu Fall kann sich der Behandler dann an kompliziertere Indikationen heranwagen und sich in seinen operativen Fähigkeiten stetig weiterbilden. Ich kann die Kollegen dazu nur ermutigen, denn das Spreizen und Kondensieren ist die Methode der Zukunft: den ortsständigen Knochen so modellieren zu können, dass er eine natürliche Leitschiene für den Kieferkammaufbau ergibt, sodass trotz eines geringen Knochenangebots ein Implantat inseriert werden kann. Ich baue mir bukkal und lingual einfach eine neue Außenwand auf - und innen heilt es automatisch nach. Das bedeutet für mich minimal-invasive Implantologie.
? Wann ist die Verwendung von spreizenden Instrumenten für eine Kieferkammmodellation klinisch einer Auflagerungsplastik vorzuziehen?
Dr. Popp: Bei der Auflagerungsplastik wird das Augmentat nicht von ortsständigem Knochen als natürlicher Leitschiene eingefasst. Im Gegensatz dazu erhält man bei einer Spreizung des Kieferkamms ein Knochenwachstum von 2 Seiten, selbst wenn unter dem Wundverschluss noch zusätzlich eine Membran gesetzt wird. Immer wenn es bei einer stabilen Kortikalis möglich ist, sollte man auch spreizen, um den Vorteil einer "lebendigen" Außenwand des Implantatlagers zu nutzen.
? Wann stößt das System an seine Grenzen?
Dr. Popp: Ich denke, man stößt mit MaxilloPrep nur an Grenzen, wenn der Kieferkamm vorher nicht durch einen Schnitt entlastet wurde. Sobald dann mit zu viel Druck gearbeitet wird, splittert der Knochen an der Stelle, wo die Schraube eingedreht werden soll. Durch einen sauberen Entlastungsschnitt wird die ganze Wand mobilisiert. Das Prinzip kennen wir ja auch beim Weichgewebe: Ist die Schnittführung nicht ausreichend, gelingt keine atraumatische Mobilisation. Mein Tipp an die Kollegen: Man sollte sich von jeder Schraubengröße 2 Exemplare zulegen und links und rechts abwechselnd spreizen, d. h. ich drehe erst an der einen Seite die kleinere Schraube heraus und die nächstgrößere herein und wiederhole den Arbeitsschritt auf der anderen Seite. So "schaukele" ich den Kieferkamm sukzessive und sicher auf.
? Bitte differenzieren Sie den Einsatz von MaxilloPrep Spread-Condense im Oberkiefer und Unterkiefer!
Dr. Popp: Im UK finde ich meistens bei Einzelzahnlücken eine stark eingefallene bukkale Wand vor, die ich mobilisiere. Da der UK-Knochen deutlich härter als der OK-Knochen ist, benötige ich dort nicht nur den krestalen, sondern auch einen bukkalen Entlastungsschnitt. Im elastischeren Oberkiefer kommt zur Knochenspreizung noch der Vorteil der Knochenverdichtung hinzu.
? Haben Sie das Gefühl, dass das Implantat bei einem durch Condenser-Schrauben verdichteten Knochenlager eine höhere Primärstabilität aufweist?
Dr. Popp: Auf jeden Fall! Bei einer OK-Knochendichte D3 oder D4 oder bei einem "frischen" Sinuslift kann ich die weiche Knochenmasse dank der Spread-Condense-Methode bestens für eine Implantation verdichten. Diese Technik hat auch meine Behandlungsplanung verändert: In der Vergangenheit ließ ich einen Sinuslift erst komplett ausheilen und nahm dann erst die Implantation vor. Mit den Condenser-Schrauben genügen wenige Millimeter Restknochen, um die Implantation zeitgleich vorzunehmen. Die Knochenverdichtung erhöht die Primärstabilität und ermöglicht es, Implantatbettgestaltung und Implantation in einer Sitzung vorzunehmen. Das empfinden auch die Patienten als viel angenehmer.
? Wie erleben Sie das Fraktur- und Abscherungsrisiko mit MaxilloPrep Spread-Condense in Ihrer Praxis?
Dr. Popp: Im Vergleich zur herkömmlichen Methode mit Osteotomen, bei der relativ unkontrolliert und ohne Abstützung gehämmert wurde, ermöglichen mir die Condenser-Schrauben das maschinelle Arbeiten mit viel Gefühl. Kontinuierliche Kühlung, die individuelle Einstellung der Umdrehungszahl und die stabile Führung über das Handstück bedeuten für mich mehr Sicherheit
? Zum MaxilloPrep-System gehört auch ein Knochenspanbohrer 9126 ...
Dr. Popp: ... den ich sehr gerne direkt im OP-Feld einsetze. Früher haben wir das Knochenmehl beim Bohren durch eine Knochenfalle aufgefangen. Der Nachteil dieses Siebes: entweder krümeliger, alter Knochen, der durch das Sieb gerutscht ist oder "Knochenmatsch". Außerdem trockneten die Knochenspäne durch die Saugwirkung der Knochenfalle aus. Mit dem Knochenspanbohrer erhalte ich eine gut durchblutete und perfekt modellierbare Masse, die nicht mit Speichel oder Kühlflüssigkeit kontaminiert ist. Die Methode ist denkbar einfach: Der Bohrer läuft leicht in den Knochen hinein und schält dabei zwiebelartig das Material ab. Minimal-invasiver geht es nicht!
! Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Dorothee Holsten.