Ultraschall Med 2011; 32(5): 437-439
DOI: 10.1055/s-0031-1281728
Editorial/Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

CEUS von Nebennierenraumforderungen – der Durchbruch?

CEUS of Adrenal Mass Lesions – the Break-Through?G. Mostbeck1
  • 1Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, Wilhelminenspital der Stadt Wien
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. Oktober 2011 (online)

In diesem Heft berichten M. Friedrich-Rust et al. [1] ihre Erfahrung mit der Kontrastmittel-Sonografie (CEUS) zur Differenzierung benigner und maligner Nebennierenraumforderungen. Diese Arbeit ist eine Erweiterung und Fortführung einer im Jahr 2008 im AJR publizierten Studie [2], 34 von 35 dieser Studienpatienten sind auch in das Studienkollektiv der rezenten Arbeit (108 Patienten mit 116 Nebennierenraumforderungen [NNRF]) inkludiert [1]. Die Ergebnisse klingen ermutigend: Unter Verwendung einer gerätespezifischen Software wurden Zeit-Intensitäts-Kurven der Kontrastmittelanflutung (4,8 ml SonoVue®, Bracco International, Mailand, Italien) in den Nebennierenraumforderungen – und im Vergleich dazu als Referenz auch in Leber bzw. Milz – ausgewertet und nach 4 Mustern klassifiziert, wobei das entscheidende Kriterium die Kontrastmittelanflutungszeit (CE) von der Applikation i. v. bis zum Erkennen des Kontrastmittels in der region of interest (ROI) ist (Muster I – früharterielle CE; Muster II – arterielle CE, Muster III – späte CE, Muster IV – keine CE) [1]. Daneben wurden die Real-Time-Sonomorphologie und die Vaskularisation im Farbdoppler dieser NNRF beurteilt [1].

Die Ergebnisse – kurz zusammengefasst – klingen optimistisch: Wertet man die Muster I und II (also eine sehr früh erkennbare, „arterielle” Kontrastmittelaufnahme) als „maligne” Muster und Muster III und IV als „benigne”, dann zeigt sich in diesem Kollektiv eine Sensitivität von 100 %, eine Spezifität von 67 %, ein neg. Vorhersagewert von 100 % und ein pos. Vorhersagewert von 33 % für eine maligne NNRF [1]. Nach Ausschluss von 5 (Angio-)Myelolipomen (die nach Meinung der Autoren eine charakteristische Real-Time-Sonomorphologie haben) und nach Ausschluss aller 12 Phäochromozytome (die nach Meinung der Autoren ja klinisch-laborchemisch diagnostiziert werden) steigt die Sensitivität auf 79 % an [1].

Haben wir damit den Durchbruch erreicht, um zwischen benignen, häufig „inzidentell” gefunden NNRF und malignen, primären oder sekundären NNRF einfach und kostengünstig ohne Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MR) mit US alleine zu differenzieren? Müssen rezente Leitlinien zur Abklärung von NNRF umgeschrieben werden [3] [4]? Werden wir noch öfter als bisher auf die Biopsie der NNRF verzichten können [5] [6]?

Die bisherigen Ergebnisse zur Frage der Differenzierung benigner oder maligner NNRF mit CEUS und US-Kontrastmittel der zweiten Generation sind nicht ermutigend: Mit visueller Beurteilung der Kontrastmittelaufnahme bei 58 Patienten mit 65 NNRF konnten Dietrich et al. [7] keinen Parameter aufzeigen, der in der Differenzierung benigne–maligne helfen kann. Sie fanden uncharakteristische Vaskularisationsmuster, eine von peripher nach zentral gerichtete Kontrastmittelfüllung der NNRF war mit niedriger Sensitivität (50 %) und Spezifität (68 %) für Malignität verbunden [7]. Lediglich eine als Abstrakt, nicht aber als Peer-Reviewed Paper vorliegende Arbeit [8] konnte bei 13 NNRF, davon lediglich 3 malignen, die rasche, arterielle Kontrastmittelaufnahme maligner NNRF ähnlich wie bei M. Friedrich-Rust et al. [1] „vorwegnehmend bestätigen”. Die derzeit gültigen EFSUMB-Leitlinien aus 2011 [9] sehen keine Indikation für den Einsatz von CEUS bei NNRF.

Dabei wäre eine sichere US-Differenzierung zwischen „Inzidentalom” und einem primären oder sekundären malignen Tumor der Nebenniere bei einer Inzidenz von etwa 4 % „inzidenteller Adenome” in vielen klinischen Szenarien wichtig [1] [2] [3] [4]. Der US ist heute sehr häufig die Methode, die das Problem (die NNRF) für den Patienten bringt, die aber weiterführende bildgebende Verfahren (CT, MR, PET) selbstverständlich nach Klinik und Labor braucht, um das Problem zu lösen. Was lässt aber daran zweifeln, dass die Ergebnisse von M. Friedrich-Rust et al. [1] eine Änderung des derzeit üblichen Patientenmanagements mit NNRF nach sich ziehen werden?

Da ist zuerst einmal die sonografische Einsehbarkeit der NN selbst. Natürlich hat sich seit 1981 technisch einiges geändert, als es erstaunlicherweise gelungen war, bei 20 Patienten 11-mal die rechte und 16-mal die linke NN einzusehen [10]. Trotzdem sehen wir auch 2011 bei zunehmender Adipositas der Bevölkerung die linke NN im Real-Time-US „nicht wirklich gut” und „übersehen” NNRF links auch häufiger als an der gut einsehbaren rechten NN (Übersicht bei [5]), oder nicht? Übrigens, können Sie sich erinnern, wann Sie zuletzt eine kleine NNRF links entdeckt haben? Keine Einsehbarkeit im Real-Time-US, kein CEUS! Nur 46 der 108 Patienten mit NNRF in [1] wurden primär mit US diagnostiziert, die restlichen 62 mit CT und MR. Daher wird US der NN im Staging von Malignomen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine Metastasierung in die NN (z. B. Bronchuskarzinom) weiterhin keine Rolle spielen. Interessanterweise inkludierte das Kollektiv der Studie von C. F. Dietrich et al. [7] wesentlich mehr NN-Metastasen (13 von 58 Patienten) als die Studie von M. Friedrich-Rust et al. [1]. Vielleicht neben der Technik der Beurteilung der Kontrastmittelaufnahme und unterschiedlicher Kontrastmittelmengen (2,4 ml [7] vs. 4,8 ml [1]) ein weiterer Grund für unterschiedliche Ergebnisse [1] [7].

Als Nächstes ist die Technik der Erstellung der Zeit-Intensitäts-Kurven zu hinterfragen, die offenbar durch Verwendung von Software des US-Geräteherstellers am Gerät selbst durchgeführt wird [1]. Ist die verwendete Software mit anderer käuflich erwerbbarer Software vergleichbar oder ident? Wir wissen es nicht, sodass die Ergebnisse streng genommen nur für die verwendeten US-Geräte aussagekräftig sind und nicht auf Geräte oder Software anderer Hersteller übertragen werden können.

Und zuletzt zu den „Mustern” der Kontrastmittelanflutung [1]. In der CT- und MR-Bildgebung von NNRF (benigne vs. maligne) macht man sich einerseits die Unterschiede der Dichte und Signalintensität (Hounsefield-Einheiten CT, In- und Out-of-Phase-MR-Techniken, andere Fettunterdrückungstechniken) zunutze, um zwischen „fetthaltigen” Adenomen und „nicht fetthaltigen” anderen, möglicherweise malignen NNRF zu unterscheiden (leider sind nicht alle Adenome „fetthaltig”) (Übersicht dazu bei [3] [4]). Daneben kommt dem Abfall der Dichte bzw. Signalintensität 5 bis 10 min nach Gabe von jod- bzw. gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln eine hohe Bedeutung zu ([11], Übersicht bei [3] [4]). Nun sind diese CT- und MR-Kontrastmittel im Gegensatz zu SonoVue® keine rein intravaskulären Kontrastmittel, die zeitliche Auflösung von CT und MR erschöpft sich aus pragmatischen und Gründen des Strahlenschutzes auf einige wenige Serien/Sequenzen pro Minute. Trotzdem wissen wir, dass der erste Zeitpunkt des „Sichtbarwerdens” von Kontrastmittel in einem Organ wie z. B. einer NNRF eher von allgemeinen Patientenfaktoren abhängt (besonders der Herz-Kreislauffunktion) als von Tumoreigenschaften wie Gefäßdichte oder „pathologische Gefäße”. Genau diese – aus meiner Sicht mehr von allgemeinen Patientenfaktoren abhängige – Kontrastmittelanflutungszeit (< 20 s, 21-40 s, > 40 s, keine) ist aber die Grundlage der „Muster” zur Differenzierung benigne – maligne. Vielleicht wäre es sinnvoll, auch in Anlehnung an die Differenzierung von z. B. Leberraumforderungen [9], andere Parameter wie Anstiegssteilheit, Time-to-Peak oder den ja bei NNRF etablierten Parameter Wash-out in der Differenzialdiagnose von benigner und maligner NNRF einzusetzen und damit die extrem gute zeitliche Auflösung des CEUS zu nutzen.

Literatur

  • 1 Friedrich-Rust M, Glasemann T, Polta A et al. Differentiation between benign and malignant adrenal mass using contrast-enhanced ultrasound.  Ultraschall in Med. 2011;  ; [epub] DOI: 10.1055 /s-0031-1273 408
  • 2 Friedrich-Rust M, Schneider G, Bohle R M et al. Contrast-enhanced sonography of adrenal masses: differentiation of adenomas and nonadenomatous lesions.  Am J Roentgenol. 2008;  191 1852-1860
  • 3 Young Jr W F. Clinical practice. The incidentally discovered adrenal mass.  N Engl J Med. 2007;  356 601-610
  • 4 Kapoor A, Morris T, Rebello R. Guidelines for the management of the incidentally discovered adrenal mass.  Can Urol Assoc J. 2011;  5 241-247
  • 5 Jenssen C, Dietrich C F. Sonografie und Endosonografie der Nebennieren.  Ultraschall in Med. 2010;  31 228-250
  • 6 Nürnberg D. Sonografie von Nebennierentumoren – wann ist die Punktion indiziert?.  Ultraschall in Med. 2005;  26 458-469
  • 7 Dietrich C F, Ignee A, Barreiros A P et al. Contrast enhanced ultrasound for imaging of adrenal masses.  Ultraschall in Med. 2010;  31 163-168
  • 8 Schacherer D, Bollheimer C, Schölmerich J et al. Kontrastmittelsonografie in der Diagnostik von Nebennierenraumforderungen.  Ultraschall in Med. 2008;  29 V27A
  • 9 Piscaglia F, Nolsøe C, Dietrich C F. The EFSUMB Guidelines and Recommendations on the Clinical Practice of Contrast Enhanced Ultrasound (CEUS): Update 2011 on non-hepatic applications.  Ultraschall in Med. 2011;  ; [epub] 26.8.2011 DOI: 10.1055 /s-0031-1281676
  • 10 Hollstein H, Pochhammer K F, Böhlke E. Sonographische Darstellung der Nebennieren.  Ultraschall in Med. 1981;  2 73-76
  • 11 Szolar D H, Korobkin M, Reittner P et al. Adrenocortical carcinomas and adrenal pheochromocytomas: mass and enhancement loss evaluation at delayed contrast-enhanced CT.  Radiology. 2005;  234 479-485

Prof. Dr. G. Mostbeck

Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie Wilhelminenspital und Röntgeninstitut Otto Wagner Spital

Montleartstraße 37

1160 Wien

Austria

eMail: gerhard.mostbeck@wienkav.at

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