Fortschr Neurol Psychiatr 2011; 79(8): 441
DOI: 10.1055/s-0031-1281610
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Parkinsontherapie und Geschäftsfähigkeit

Treatment of Parkinsonism and Legal CapacityC.-W. Wallesch1
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 August 2011 (online)

Etwa 3 – 4 % aller Parkinsonpatienten leiden unter dopaminerger Therapie an Symptomen eines Dopamin-Dysregulationssyndroms wie Verhaltensstereotypien, Hypersexualität, Zwangssymptomen und vor allem Impulskontrollstörungen [1]. Zu letzteren gehört das pathologische Glücksspielen, für das eine Prävalenz unter behandelten Parkinson-Patienten sogar von bis zu 5,7 % angegeben wird [2]. Neurobiologische Grundlage sind Mutationen, die die Dopamin-D-2-Rezeptorfamilie betreffen, und der Einsatz von Dopaminergika mit hoher Affinität zu diesen Rezeptoren [1]. Es verwundert daher nicht, dass Symptome des Dopamin-Dysregulationssyndroms auch bei Patienten mit Restless-Legs-Syndrom unter dopaminerger Therapie berichtet werden, wobei noch höhere Prävalenzraten (7 % für pathologisches Glücksspielen) berichtet werden [3]. Es stellt sich die Frage, ob die Kombination von Rezeptormutation mit Gabe von D 2-Agonisten eine hinreichende Bedingung für das Auftreten pathologischen Glücksspiels ist oder ob das Vorliegen einer Dysfunktion der dopaminergen Systeme (Morbus Parkinson, Restless-Legs-Syndrom) eine notwendige zusätzliche Voraussetzung darstellt. Gahr et al. [4] berichten über zwei Patienten, von denen zumindest einer nicht an einer Dysfunktion des dopaminergen Systems litt. Die auslösenden Dopaminergika der Fälle von Gahr et al. waren solche mit hoher D 2-Affinität (Cabergolin, Ropinirol). Gahr et al. [4] berichten aus der Literatur zwei weitere Fälle pathologischen Glücksspiels, die wegen Prolaktinomen mit Cabergolin behandelt wurden [5] [6].

Gahr et al. [4] skizzieren den aktuellen Stand der neurobiologischen Forschung zum pathologischen Glücksspiel. Die Basalganglien, insbesondere das ventrale Striatum (Nc. accumbens) scheinen eingebunden zu sein in Prozesse der Handlungsoptimierung und Erfolgsbewertung [7] sowie der Vermittlung von Anreizen und Belohnungen [8]. Der Nc. accumbens ist ein Fokus der Exprimierung von D 2-Rezeptoren. Da der Morbus Parkinson zunächst die dopaminergen Synapsen des Putamens betrifft [9] und die Dosierung der Dopaminergika der putamenvermittelten motorischen Symptomatik angepasst wird, kommt es in anderen Bereichen, so auch im Nc. accumbens, zu einer dopaminergen Überstimulation. Dies gilt besonders für Dopaminagonisten, da die physiologische Regulation des Dopaminangebots im synaptischen Spalt durch präsynaptische Wiederaufnahme bei diesen nicht greift. Entsprechend findet sich unter Pramipexol, nicht jedoch unter L-Dopa, eine erhöhte Prävalenz von Impulskontrollstörungen [10].

Es ist davon auszugehen, dass bei Personen mit einer bestimmten Ausprägung des D 2-Rezeptorpolymorphismus die Einnahme bestimmter Dopaminergika, aber wohl auch von Levodopa [11], zu Veränderungen ihres Entscheidungsverhaltens und ihrer Risikobereitschaft führt. Für Neurologen und Psychiater als Verordner und auch als Gutachter lassen sich Folgen für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit, Testierfähigkeit und Fahrtauglichkeit bis hin zur möglichen Einschränkung der Schuldfähigkeit absehen. Da wohl nur eine genetisch definierte Teilpopulation das Risiko aufweist, eine Impulskontrollstörung zu erleiden, sollte nach Symptomen gefahndet und diese dokumentiert werden. Eine randomisierte Studie mit geringer Teilnehmerzahl weist auf die Möglichkeit einer Behandlung mit Amantadin hin [12].

Prof. Dr. C.-W. Wallesch

Literatur

  • 1 O’Sullivan S S, Evans A H, Lees A J. Dopamine dysregulation syndrome: an overview of its epidemiology, mechanisms and management.  CNS Drugs. 2009;  23 157-170
  • 2 Barns Neurauter M P, Rickards H, Cavanna A E. The prevalence and clinical characteristics of pathological gambling in Parkonson’s disease: an evidence-based review.  Funct Neurol. 2010;  25 9-13
  • 3 Cornelius J R, Tippmann-Peikert M, Slocumb N L et al. Impulse control disorders with the use of dopaminergic agents in restless-legs syndrome: a case-control study.  Sleep. 2010;  33 81-87
  • 4 Gahr M, Connemann B J, Schönfeldt-Lecuona C J. Dopaminergika-induziertes pathologisches Glücksspiel.  Fortschr Neurol Psychiat. 2011;  79 dieses Heft
  • 5 Davie M. Pathological gambling associated with cabergoline.  J Neuropsychiatr Clin Neurosci. 2007;  19 473-474
  • 6 Falhammar H, Yarker J. Pathological gambling and hypersexuality in cabergoline-treated prolactinoma.  MJA. 2009;  190 97
  • 7 Alexander W H, Brown J W. Computational models of performance monitoring and cognitive control.  Topics in Cognitive Science. 2010;  1 1-20
  • 8 Frank J M, Seeberger L C, O’Reilly R C. By carrot or by stick: cognitive reinforcement learning in parkisnonism.  Science. 2004;  306 1940-1943
  • 9 Marsden C D. Discussion remark. In: Ciba Foundation Symposium 107: Functions of the basal ganglia. London: Pitman; 1984: 219
  • 10 Weintraub D, Siderow A, Potenza M et al. Association of dopamine agonist use with impulse control disorders in Parkinson’s disease.  Arch Neurol. 2006;  63 969-973
  • 11 Weintraub D. Impulse control disorders in Parkinson’s disease: prevalence and possible risk factors.  Parkinsonism Relat Disord. 2009;  15 (Suppl 3) S110-S113
  • 12 Thomas A, Bonanni L, Gambit F et al. Pathological gambling in Parkinson’s disease is reduced by amantadine.  Ann Neurol. 2010;  68 400-404

Prof. Claus-Werner Wallesch

Klinik für Neurologische Rehabilitation, BDH-Klinik Elzach GmbH

Am Tannwald 1

79215 Elzach

Email: cwallesch@neuroklinik-elzach.de

    >