Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - A3
DOI: 10.1055/s-0031-1280628

Ist das lymphoepitheliale Karzinom der Vulva eine biologisch unterschätzte Tumorentität? Fallbericht mit einer inguinalen und durch Sentinel-Technik dargestellten Mikrometastase

H Bösmüller 1, S Haitchi-Petnehazy 1, C Gruber 1, F Roithmeier 2, W Stummvoll 2, G Webersinke 3
  • 1Institut für Pathologie, Krankenhaus Barmherzige Schwestern, Linz
  • 2Gynäkologische Abteilung, Krankenhaus Barmherzige Schwestern, Linz
  • 3Labor für Molekularbiologie und Zytogenetik, Krankenhaus Barmherzige Schwestern, Linz

Fragestellung: Das lymphoepitheliale Karzinom des Nasopharynx (syn. Schmincke-Tumor, undifferenziertes nasopharyngeales Karzinom) ist ein durchaus häufiger aggressiver EBV-assoziierter Tumor. Das lymphoepitheliale Karzinom, oder besser gesagt Lymphoepithelioma-like carcinoma (LELC) der Haut aber ist sehr selten, und in der Vulva wurden bisher nur 3 Fälle beschrieben. Auch im restlichen weiblichen Genitaltrakt sind diese Tumoren äußerst rar, einzelne Berichte existieren über LELC in der Zervix uteri. Jeweils zwei Publikationen liegen über LELC in Ovar, Endometrium und Vagina vor, ein Fallbericht beschreibt einen derartigen Tumor in einer Bartholinischen Drüse. Im Gegensatz zum lymphoepithelialen Karzinom des HNO-Bereiches sind LELC der Haut und des weiblichen Genitale nicht EBV-assoziiert, es gibt aber Hinweise für eine HPV-assoziierte Ätiologie für LELC der Zervix uteri. Obwohl in der Literatur immer wieder Hinweise auftauchen, LELC sei weniger aggressiv als entsprechende Tumoren des Nasopharynx, können frühzeitig Lymphknotenmetastasen bei LELC auftreten. Im Falle dieser 73-jährigen Patientin wurde eine inguinale Mikrometastase durch Sentinel Technik entdeckt. Methode: Das Oberflächenepithel der Vulva abseits der Läsion war völlig intakt, es ergaben sich keinerlei Hinweise für Atrophie oder Lichenifikation, daher wählte man die partielle Vulvektomie als geeignetes Operationsverfahren. Mittels Sentinel-Technik konnte in der rechten Regio inguinalis ein Lymphknoten markiert werden. Eine intraoperative Schnellschnittuntersuchung desselben war negativ, nach Komplettaufarbeitung des Paraffinmaterials konnte aber eine 1 mm große Mikrometastase aufgefunden werden. Der postoperative Verlauf war unauffällig. Da die Infiltrationstiefe des Tumors 2 mm nicht überschritt, wurde auf lokale adjuvante Therapie verzichtet, wegen der Mikrometastase erfolgte aber eine Bestrahlung der rechten Regio inguinalis mit einer fokalen Dosis von 5000 cGy in 25 Fraktionen. Ergebnisse: Das 6,5 × 3 × 1 cm messende Operationspräparat (partielle Vulvektomie) wies makroskopisch unauffällige Resektionsränder auf, die Neubildung selbst war oval und hatte Durchmesser von 1,5 × 1 cm. Histologisch bestand die Neubildung aus nicht verhornenden soliden Tumorzellinfiltraten mit reichlich intra-epithelialen und stromalen Lymphozyten. Squamöse oder glanduläre Differenzierung waren nicht ersichtlich, somit wurde der Fall mit der Diagnose lymphoepitheliales Karzinom der Vulva abgeschlossen. Die Infiltrationstiefe betrug 2 mm, es ergaben sich keinerlei Hinweise auf Angioinvasion oder perineurale Tumorausbreitung, auch konnte die Läsion zur Gänze im Gesunden entfernt werden. Nach kompletter Serienaufarbeitung eines inguinalen Sentinel-Lymphknotens wurde eine 1 mm große Mikrometastase analoger Histologie aufgefunden. Das Staging ergab zusammenfassend pT1b, pN1mi(sn), L0, V0, R0, G3. Schlussfolgerung: Abgesehen von der Pathogenese zeigt der Verlauf des hier beschriebenen Falles, dass sich die Malignität von LELC von der lymphoepithelialer Karzinome des Nasopharynx möglicherweise nicht sehr unterscheidet. Die Sentinel-Technik für herkömmliche Plattenepithelkarzinome der Vulva ist gut etabliert, und spiegelt deren Aggressivität bzw. lokale Ausbreitung gut wieder. In diesem Fall von LELC beweist aber gerade die Sentinel-Technik das frühe Metastasierungpotenzial, somit entstehen hier durchaus Zweifel an der wiederholt publizierten besseren Prognose dieser Entität.