Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - Hauptvortrag1_1
DOI: 10.1055/s-0031-1280493

Chronische Unterbauchschmerzen (CUBS) ohne hinreichende organische Ursache – ein diagnostischer Rahmen

W Schuth 1
  • 1Univ.-Frauenklinik, Freiburg, Deutschland

Die Korrelationen zwischen Schmerzausmaß und organischem Befund sind bekanntermaßen und empirisch gesichert durchgängig niedrig, so dass nicht-somatischmedizinische Theorien zur Entstehung, Unterhaltung und Therapie einbezogen werden müssen.

Stark genetisch bedingte Persönlichkeitsmerkmale, die zu nicht-organisch bedingten körperlichen Beschwerden prädisponieren, z.B. CUBS, sind Depressivität, Ängstlichkeit und emotionale Instabilität.

Sie bedingen verstärkte negative Symptombeobachtung und -bewertung, hilfloses Ausgeliefertsein an die Symptomatik und daraus resultierend Hilfeerwartung nur von mächtigen Anderen, z.B. Operateuren, nicht aber aus der eigenen Person.

Überindividuelle spezifische Auslöser sind, entgegen den überholten psychodynamischen Behauptungen, empirisch nicht gesichert. Gesicherte unspezifische Auslöser sind chronische Unzufriedenheit, v.a. durch die chronische Überlastung durch Mehrfachrollen („Hausfrau, Mutter, Berufstätige und Ehefrau/Geliebte“), subjektiv überlastend erlebte „daily hassles“, und der „Unterbauch“ als – meist iatrogen verursacht – locus minoris resistentiae.

Basierend auf der präzisen Schmerzanamnese, möglichst mit Schmerztagebuch, sollte daher von vornherein im Diagnosegang manifeste Psychopathologie erfasst werden, v.a. Somatisierungs-, Angst- und depressive Störungen.

Statt in der selbstschädigenden Krankheitstheorie der Patientin mit zu agieren, ist es Aufgabe des Arztes, weitere iatrogene Schädigung durch falsche somatische Erklärungsmodelle, Diagnostik und „Therapie“ zu vermeiden. Psychopharmako-, kognitive Verhaltenstherapie und Vermittlung von Selbstmanagement-Strategien sind effektive, kausale Therapieoptionen.

Dass sich Patienten ihre subjektive, falsche und schädigende Krankheitstheorie aufgeben und sich dem korrekten lernpsychologischen Entstehungs-, Unterhaltungs- und Therapiekonzept von CUBS anschließen können, erfordert vom Arzt basale psychodiagnostische Kenntnisse, präzise Erklärungen, begründeten therapeutischen Optimismus, personales Interesse an der „nervenden“ Patientin und vor allem Geduld.