Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - V1_3
DOI: 10.1055/s-0031-1280479

Stadienabhängige Fertilitätseinschränkung bei peritonealer und tief-infiltrierender Endometriose: Welche Mechanismen werden durch die in vitro Fertilisation erkennbar?

A Kubiak 1, S Dieterle 1, A Neuer 1, K Bierhals 1, R Greb 1
  • 1Kinderwunschzentrum Dortmund, Dortmund, Deutschland

Im Rahmen der Sterilitätsabklärung wird Endometriose 3–10-mal häufiger beobachtet als in Kollektiven fertiler Frauen. Abgesehen von Zuständen mit offensichtlicher tubarer Komponente ist derzeit unklar, ob die Fertilitätseinschränkung bei unterschiedlichen anatomischen Manifestationen und Ausprägungen der Endometriose auch über unterschiedliche Mechanismen zu erklären ist. Bei Patientinnen mit endometrioseassoziierter Sterilität können das natürliche Fertilitätspotential und einzelne Schritte der Fertilisation in vitro in Abhängigkeit vom beschriebenen Operationssitus analysiert werden, um Mechanismen der Fertilitätseinschränkung verschiedener Endometriosemanifestationen zu evaluieren.

Das rASRM-Stadium, eine ovarielle Beteiligung und Hinweise auf tief-infiltrierende Läsionen der Endometriose wurden von allen Patientinnen mit operativ diagnostizierter Endometriose, die sich in den Jahren 2008 und 2009 am Kinderwunschzentrum Dortmund ihrem ersten Behandlungszyklus einer extrakorporalen Befruchtung (IVF oder ICSI) unterzogen haben, anhand der Operationsberichte kategorisiert, und hinsichtlich des Einflusses auf die prospektiv erhobenen Parameter der in vitro Fertilisation analysiert. Patientinnen mit tubarer Sterilität ohne Endometriose dienten als Kontrollgruppe.

Nach vorheriger Fallzahlabschätzung konnten 164 Patientinnen mit Endometriose und 112 Patientinnen mit tubarer Sterilität ohne Endometriose eingeschlossen werden. Ein höheres rASRM-Stadium, insbesondere in Verbindung mit tief-infiltrierender Endometriose und Tubenpathologie, ging mit einer Verminderung der Anzahl gewonnener Eizellen (r=–0,21, P=0,01), einer reduzierten Konzentrationen von Anti-Müller-Hormon (AMH) (r=–0,25, P=0,005), und erhöhtem Gonadotropinverbrauch pro Zyklus einher (r=0,27, P=0,001). Nach Endometriomentfernung waren tendenziell die gleichen Veränderungen zu beobachten, aber nur der erhöhte Gonadotropinverbrauch blieb signifikant (P=0,004). Umgekehrte Veränderungen waren bei minimaler bis milder, rein peritonealer Endometriose zu verzeichnen. Bei keiner der Endometriosecharakteristika ließen sich Unterschiede in der Fertilisierungsrate, dem Embryonenscore und der Schwangerschaftsrate nachweisen. Die durch inverse Korrelation mit der Anzahl motiler Spermien beim Partner abgeschätzte natürliche Fertilität war bei Vorliegen von Endometriose mit Tubenpathologie (P=0,02) und tief-infiltrierender Endometriose (P=0,03) signifikant vermindert. Rein peritoneale Endometriose oder Endometriome gingen nicht mit Einschränkungen der natürlichen Fertilität einher. Generell war bei Endometriose die Fertilität höher als bei rein tubarer Sterilität (Anzahl linear-progressiv motiler Spermien 24,5 Mio./ml vs. 30,9 Mio/ml, P=0,03).

Rein peritoneale Endometriose geringer Ausprägung geht mit keiner nennenswerten Einschränkung der natürlichen und im Rahmen der IVF beobachteten Fertilität einher. Ausgeprägte, insbesondere tief-infiltrierende Endometriose führt unabhängig vom Vorhandensein von Endometriomen zu einer erheblichen Verminderung der ovariellen Reserve, ohne Fertilisierung, Embryoentwicklung und -Implantation zu beeinträchtigen. Aufgrund des drohenden Verlusts der Ovarialfunktion sollten bei diesen Patientinnen präventive Maßnahmen zur Schonung der Ovarien eine hohe Priorität haben (z.B. strenge Indikation für Operationen am Ovar, medikamentös induzierte Anovulation in Lebensphasen ohne Kinderwunsch).