Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71(11): 954-955
DOI: 10.1055/s-0031-1280339
Kommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar zu einem modifizierten Grading des Endometriumkarzinoms

Commentary on a Modified Grading of Endometrial CarcinomaM. Köbel1 , T. Löning2
  • 1Department of Pathology and Laboratory Medicine, Calgary Laboratory Services and University of Calgary, Calgary, Canada
  • 2Albertinen Pathologie Hamburg, Konsultationszentum für Gynäkopathologie und Mammapathologie, Hamburg
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Publication Date:
23 November 2011 (online)

Ziel unseres Kommentars ist es, die gegenwärtigen Konzepte der Klassifikation der Endometriumkarzinome darzustellen und kritisch zu hinterfragen. Generell steht und fällt die Akzeptanz eines histopathologischen Klassifikationssystems mit der klinischen Relevanz in Bezug auf prognostische und therapeutische Weichenstellungen, wobei die Therapieentscheidungen beim Endometriumkarzinom zunehmend nicht nur die Radikalität chirurgischer Maßnahmen, sondern auch den Nutzen adjuvanter systemischer Behandlungsmodalitäten betreffen. Daher muss es das Anliegen einer modernen klinischen Pathologie sein, nicht starr an Klassifikationssystemen der 80er-Jahre festzuhalten, sondern diese an molekularbiologische Erkenntnisgewinne und davon ausgehende klinisch-therapeutische Chancen anzupassen. Im besten Falle sollte die histopathologische Klassifikation nicht in Konkurrenz zu einer evtl. molekularen Systematik treten, sondern in Analogie zu anderen gynäkologischen Karzinomerkrankungen wissenschaftliche Fortschritte integrieren. In idealer Weise geschieht das gegenwärtig beim Mammakarzinom durch den Einsatz prädiktiver Marker. Zwar ist beim Endometriumkarzinom diese Schwelle noch nicht erreicht, es können aber immerhin diagnostische Marker benannt werden, mit denen die klassische histopathologische Unterteilung der Endometriumkarzinome nach Typ und Grad nachjustiert werden könnte.

Fest im klinischen Sprachgebrauch verankert ist die Unterscheidung zwischen Typ-I- und Typ-II-Endometriumkarzinomen, wobei mit ersteren die endometrioiden Adenokarzinome und mit letzteren im Wesentlichen die serösen und klarzelligen Karzinome gemeint sind. Zu den seltenen Typen zählen muzinöse, neuroendokrine, squamöse und undifferenzierte Karzinome, auf die hier nicht in Details eingegangen wird ([Tab. 1]). Für die Typ-I- und Typ-II-Karzinome in ihrer prototypischen Ausprägung sind zwar kritische molekulare Faktoren und die daraus resultierende unterschiedliche Tumorbiologie bekannt [1], [2]. Umso überraschender muss es für die Kliniker sein, dass es erhebliche Probleme in der histopathologischen Treffsicherheit gibt. Insgesamt ist die Inter-Observer-Reproduzierbarkeit der Typisierung nur moderat (κ = 0,62) und fällt in der High-Grade-Gruppe sogar unter dieses Niveau [3]. Für das 3-teilige FIGO-Grading der endometrioiden Karzinome werden κ-Werte von 0,41–0,65 angegeben. Versuche, dieses Grading durch ein binäres System zu ersetzen, haben zunächst lediglich zu marginalen Verbesserungen der κ-Werte geführt (0,58–0,65) [4], [5], [6]. Mehr Treffsicherheit verspricht dagegen das integrative Konzept von Alkushi und Gilks [7]. Dabei werden Tumorarchitektur (glandulär vs. papillär-solid), nukleäre Atypien (gering/mäßig vs. schwer) und Mitose-Index (Cut-off 6/10 HPF) in einem Score zusammengefasst, sodass immerhin die Inter-Observer-Reproduzierbarkeit der Diagnose verbessert werden konnte (κ = 0,76). Letztlich bleiben die Autoren aber auf der Ebene der sog. Bokhman-Klassifikation (i. e. Unterscheidung zwischen Typ-I- und -II-Karzinomen) stehen und berücksichtigen nicht ausreichend die molekulare und phänotypische Heterogenität der Endometriumkarzinome, d. h. die Bedeutung des Tumortyps ([Tab. 2]). Im Unterschied zu den Ovarialkarzinomen, für welche die Reproduzierbarkeit der Tumortypisierung im Vergleich zu Biomarker-Analysen und vor allem zum klinischen Verlauf geprüft werden konnte [8], steht eine derartige Validierung beim Endometriumkarzinom, speziell für den Bereich der High-Grade-Karzinome und der endometrioiden FIGO-Grad-2-Karzinome, noch aus. So konnte für die High-Grade-Karzinome selbst unter erfahrenen Gynäkopathologen lediglich in der Hälfte der Fälle Konsens erzielt werden. Problematisch waren speziell Karzinome mit „unspezifischen“ (soliden) Baumustern, mischdifferenzierte Karzinome mit unterschiedlichen Tumorkomponenten und sog. Hybridkarzinome (z. B. hellzellige/klarzellige Karzinome ohne die charakteristischen Kernatypien der Klarzellkarzinome). Daraus zieht Soslow vom Memorial Sloan Kettering Cancer Institute den Schluss, solche Fälle nicht willkürlich in ein Klassifikationssysteme einzufügen, sondern als Endometriumkarzinome mit unklarem Phänotyp (NOS) einzuordnen [9]. Speziell für diese Tumorgruppe bietet aber das Alkushi-Gilks-Konzept eine praktische Lösung an. Für den diagnostischen Alltag empfehlen wir und andere Autoren daher, ein differenziertes Grading einzuführen, d. h.

Tab. 1 Vorschlag für ein differenziertes Grading. Haupttypen seltene Typen NOS-Typen Low-grade endometrioidFIGO-Grad 1 muzinös Alkushi-Gilks-Score 3 o. 4 endometrioidFIGO-Grad 2 High-grade endometrioidFIGO-Grad 3 serös klarzell undifferenziertneuroendokrin Alkushi-Gilks-Score 5 o. 6 Das Alkushi-Gilks-Grading besteht aus 3 Komponenten. Jede Komponente wird mit einem Score versehen (glandulär = 1, papillär/solide = 2, nukleäre Atypien (gering/mäßig = 1 vs. schwer = 2) und Mitose-Index (< 6/10 HPF = 1, ≥ 6/10 HPF = 2).

Tab. 2 Differenzielle Typisierung durch Einsatz immunohistochemischer Marker 1, 10, 11, 12, 13. morphologische Differenzialdiagnose Routine additive Marker seröses Karzinom vs. endometrioides Karzinom FIGO 1/2 p53, p16, MIB1/Ki67, Vimentin IMP3, PTEN, beta-catenin, ARID1A seröses Karzinom vs. endometrioides Karzinom FIGO 3 p16, Vimentin PTEN, ARID1A seröses Karzinom vs. Klarzellkarzinom p53, p16 HNF1B endometrioides Karzinom (jegl. Grades) vs. Klarzellkarzinom ER, PR HNF1B Die Auswahl der immunhistologischen Marker ist abhängig von der morphologischen Differenzialdiagnose. Die Interpretation der Immunohistochemie ist wiederum markerabhängig. Seröse Karzinome zeigen entweder eine p53-Überexpression (in > 70 % der Tumorzellen) oder vollständige Abwesenheit. Endometrioide Karzinome FIGO Grad 1/2 weisen in der Regel ein „wild-type“-Muster auf mit (Expression in < 90 % der Tumorzellen). Ähnlich sollte eine p16–Überexpression, assoziiert mit serösen Karzinomen, nur bei kräftiger homogener Färbung in > 90 % der Tumorzellen diagnostiziert werden, währenddessen endometrioide Karzinome allenfalls ein fleckförmiges (mosaikartiges) Expressionsmuster aufweisen. Auch bei Vimentin (typisch für endometrioide Adenokarzinome) und HNF1B (typisch für Klarzellkarzinome) sollte nur eine Expression in > 50 % der Tumorzellen als positiv gewertet werden.

das klassische 3-teilige FIGO-Grading für endometrioide Adenokarzinome zu reservieren, zweifelsfreie (auch fokale) seröse oder klarzellige Karzinome nicht weiter zu stratifizieren, d. h. diese den High-Grade-Karzinomen zuzuordnen, und das binäre Alkushi-Gilks-Grading für Karzinome unklaren Typs anzuwenden.

Literatur

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  • 13 Yamamoto S, Tsuda H, Aida S et al. Immunohistochemical detection of hepatocyte nuclear factor 1beta in ovarian and endometrial clear-cell adenocarcinomas and nonneoplastic endometrium.  Hum Pathol. 2007;  38 1074-1080

Prof. Dr. Martin Köbel

Department of Pathology and Laboratory Medicine
Calgary Laboratory Services and University of Calgary

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Prof. Dr. med. T. Löning

Albertinen Pathologie Hamburg
Konsultationszentum für Gynäkopathologie und Mammapathologie

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