Zahnmedizin up2date 2011; 5(4): 307
DOI: 10.1055/s-0031-1280104
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
31 August 2011 (online)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die zunehmende klinische Vernetzung in der modernen Zahnmedizin wird gerade bei erwachsenen Patienten mit besonderen Schwierigkeitsgraden immer deutlicher. Lag früher beim Erwachsenen bzw. auch beim älteren Patienten häufig ein Schwerpunkt in der zahnärztlichen Prothetik, gesellen sich heutzutage in abgestimmten Therapiekonzepten zunehmend auch die Parodontologie, Endodontologie und bei bestimmten Indikationen auch die Kieferorthopädie bzw. MKG-Chirurgie, schlichtweg alle Bereiche der Zahnmedizin, mit hinzu.

Eine für den Erwachsenen aus therapeutischer Sicht interessante Schnittstelle liegt beispielsweise im kombinierten Wirken von Kieferorthopädie und Parodontologie: hier kann die Parodontologie mittels reparativer bzw. regenerativer Verfahren die Voraussetzungen schaffen, um auch im fortgeschrittenen Alter kieferorthopädische Zahnbewegungen durchführen zu können. Im Gegenzug kann eine kieferorthopädische Reorientierung elongierter aufgefächerter Schneidezähne ein erfolgreiches parodontales Ergebnis zusätzlich in ein ästhetisch und funktionell zufriedenstellendes Ergebnis überführen. Auch ist noch wenig bekannt, dass beispielsweise durch approximale Schmelzreduktion zusammen mit der Zusammenführung von Frontzähnen gelegentlich störende interdentale Trigona verbessert bzw. störende asymmetrische Gingivaverläufe durch gezielte In- und Extrusionen von Zähnen angeglichen werden können (für Interessierte sei hier auf die Pionierarbeiten von P. Diedrich verwiesen).

Eine weitere interessante Schnittstelle ist die kieferorthopädisch-kieferchirurgische Dysgnathiebehandlung, an die Sie, liebe Leser, auch denken sollten, wenn Sie Bauchschmerzen haben, auf einem „schiefen Fundament“ (= stark abweichende Kieferrelation) ein „schönes Haus“ (= prothetische Versorgung) bauen zu wollen. Früher lag hier ein Schwerpunkt auf der Einstellung einer korrekten Okklusion, heute stehen die extraoralen Weichteile in ihrer Lagebeziehung zu den dentalen und knöchernen Strukturen sowie die Einbeziehung der Weichteil-(fehl)funktionen im Zentrum der Behandlungsplanung. Die Planung erfolgt häufig von außen (extraorale Weichteile) nach innen (knöcherne Strukturen und dentale Lagebeziehungen) und eine kieferorthopädische Vor- und Nachbehandlung leistet hierbei einen sehr wichtigen Schritt im Hinblick auf ein extra- und intraoral stimmiges Gesamtergebnis.

Eine dritte interessante Schnittstelle ergibt sich zwischen Kieferorthopädie und Prothetik. Denken wir beispielsweise an einen erwachsenen Patienten mit extremem Tiefbiss: hier kann ggf. eine Kombination aus kieferorthopädischer Intrusion von Einzelzähnen und späterer prothetischer Bisshebung indiziert sein, um einer gingivalen Traumatisierung therapeutisch zu begegnen. Eine kieferorthopädische Intrusion, die die Zähne langsam entlang der Zahnachse wieder in den Knochen zurückführt, kann hierbei einen wichtigen Beitrag in einem interdisziplinären Gesamtkonzept leisten. Präprothetisch können zudem wichtige Pfeilerzähne nach prothetischen Gesichtspunkten verteilt werden, ungünstige Zahnachsen (z. B. gekippte Molaren) aufgerichtet, Zwangsbissführungen eliminiert bzw. reduziert, vertikal falsch stehende Zähne in- bzw. extrudiert werden. Präimplantologisch sollte zudem bei schwierigen Lückenverhältnissen an eine kieferorthopädische Einstellung der Kronen und Wurzeln der Nachbarzähne gedacht werden.

Die Weiterentwicklung der modernen Zahnmedizin macht es zunehmend schwieriger, alle Aspekte therapeutisch zu beherrschen – es ist jedoch hilfreich, wenn die Anknüpfungspunkte der verschiedenen Fächer zumindest bekannt sind. Hier möchte die Zahnmedizin up2date auch in Zukunft auf der Basis klinisch orientierter Übersichtsarbeiten aus der gesamten Zahnmedizin fächerübergreifend informieren. Nutzen Sie, liebe Leser, das Wissen eines Teams, sowohl hier in der Zahnmedizin up2date als auch klinisch in Ihrem Praxisalltag.

Herzlichst Ihr

Prof. Dr. med. dent. Christopher J. Lux

Mitherausgeber der Zahnmedizin up2date