Diabetologie und Stoffwechsel 2011; 6 - P247
DOI: 10.1055/s-0031-1277518

Leukocytenzahl am Anfang der Schwangerschaft ist ein unabhängiger Prädiktor für Gestational Diabetes (GDM)

R Magenheim 1, 2, D Supák 2, U Schäfer-Graf 1, M Abou-Dakn 1, M Papp 2, Z Fehér 2, ÁG Tabák 2, 3
  • 1St Joseph Krankenhaus, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Berlin, Germany
  • 2Semmelweis Universität, Klinik für Innere Medizin I, Budapest, Hungary
  • 3University College London, Institut für Epidemiologie und Öffentliche Gesundheit, London, United Kingdom

Fragestellung: Der Zusammenhang zwischen Insulinresistenz und subklinischer Entzündung ist seit vielen Jahren bekannt. Aber es gibt kaum zuverlässige Daten, ob die Veränderung des Immunsystems am Anfang der Schwangerschaft auch mit Insulinresistenz und deswegen mit erhöhtem Risiko für GDM zusammenhängt. Nach der neuen DDG und DGGG Leitlinie besteht ein erhöhtes Risiko für Diabetes in der Schwangerschaft u.a. bei folgenden Risikofaktoren: Alter >45 Jahre, BMI >30kg/m2, vorausgegangene GDM (vGDM), Familienanamnese (FA) für Diabetes, Geburt eines Kindes mit Makrosomie (≥4500g). Ziel dieser retrospektiven Studie war es, die Leukozytenzahl (Leu) als potenziellen Risikofaktor für GDM zu untersuchen.

Methodik: Bei 4903 Frauen (Geburt 01.01.2005–31.03.2008 in St Margit Krankenhaus, Budapest) wurde ein nüchtern Blutzucker (nüBZ) und Leu Bestimmung in der 10–12 SSW sowie ein generelles GDM Screening nach WHO Kriterien (75g OGTT) durchgeführt. Eine Datenbank aller GDM Frauen (n=396) und einer Kontrollgruppe (n=319, alle Frauen mit normalem OGTT und mit einer Geburt 01.01.2006–31.03.2006) wurde erstellt. Frauen ohne bekannte Leu (n=113; 65) waren von der Analyse ausgeschlossen. Mit dieser eingebetteten Fall-Kontroll-Studie untersuchten wir den Zusammenhang zwischen GDM und den Faktoren Leu, Gewicht, Größe, BMI, nüBZ, vGDM, FA für Diabetes, Geburt eines Kindes mit Makrosomie (≥4000g). Die Datenauswertung erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS 16.0 (T-Test, χ2-Test, schrittweise multiple logistische Regression).

Ergebnisse: im Vergleich zu den Kontrollen waren Frauen mit GDM älter (31,8±4,3 [mean±SD] vs. 30,1±4,3 Jahre; p<0,0001) und kleiner (165,1±6 vs. 166,5±5,8cm; p=0,006). Sie hatten höheres Gewicht (66,3±14 vs. 63,9±11,1kg; p=0,031), BMI (24,3±4,8 vs. 23,1 ±4,2kg/m2; p=0,003), nüBZ (4,5±0,6 vs. 4,3±0,6mmol/l; p<0,0001) und Leu (9,1±2 vs. 8,5±1,9 G/l; p<0,0001. Sie hatten öfter vGDM (17% vs. 2%; p<0,0001), FA für Diabetes (29,1% vs. 8,5%; p<0,0001) und Leu ≥11 (18,4% vs. 10,2%; p=0,007), ≥12 (9,2% vs. 3,9%; p=0,015) G/l. Geburt eines Kindes mit Makrosomie, Gravidität und Parität waren in beiden Gruppen gleich. Unabhängige Prädiktoren für GDM waren Leu (OR=1,2/1 G/l; 95%CI:1,08–1,34), Größe (OR=0,96/1cm; 95CI:0,93 –0,998), nüBZ (OR=1,58/1mmol/l; 95%CI:1,1–2,26), Alter (OR=1,08/1 Jahr; 95%CI:1,03–1,13), vGDM (OR=7,81; 95%CI: 2,95–20,68), FA für Diabetes (OR=4,06; 95%CI:2,26–7,31).

Schlussfolgerungen: Die Leukozytenzahl ist ein unabhängiger Prädiktor für GDM, traditionelle Risikofaktoren wie BMI, Geburt eines Kindes mit Makrosomie dagegen nicht. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die subklinische Entzündung eine Rolle in dem Pathomechanismus für die Entstehung des GDM spielen kann. Weitere Forschung ist erforderlich, ob und wie weit die Untersuchung der Leukozytenzahl zur Identifizierung von Frauen mit erhöhtem Risiko für GDM beiträgt und ob Interventionen (Diät, körperliche Aktivität) die Prävalenz oder den Schweregrad der Krankheit beeinflussen.