Diabetologie und Stoffwechsel 2011; 6 - P176
DOI: 10.1055/s-0031-1277447

Erziehungstraining für Eltern von Kindern mit Diabetes Typ 1– Ergebnisse einer Pilotstudie

M de Hair 1, H Saßmann 1, T Danne 2, W von Schütz 2, K Lange 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Psychologie, Hannover, Germany
  • 2Kinderkrankenhaus auf der Bult, Allgemeine Kinderheilkunde III, Hannover, Germany

Fragestellung: Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Pilotstudie wurde die Durchführbarkeit eines strukturierten Erziehungstrainings für Eltern von Kindern mit Diabetes Typ 1 untersucht. Überprüft werden sollten die Anforderungen für eine größere Evaluationsstudie. „Delfin„ – Das Elternprogramm für Familien von Kindern mit Diabetes ist ein lerntheoretisch orientiertes Erziehungstraining, das sowohl den Aufbau von positivem Erziehungsverhalten, als auch den konstruktiven Umgang mit (diabetesspezifischen) Konfliktsituationen vermittelt.

Methodik: 34 Familien (65 Elternteile) nahmen an der Pilotstudie teil. Die Interventionsgruppe absolvierte ein 6 wöchiges Gruppenschulungsprogramm, die Kontrollgruppe nahm ein Jahr später daran teil. Erhoben wurden psychologische Parameter zum Erziehungsverhalten (Erziehungsfragebogen, EFB; Fragebogen zum Erziehungsverhalten, FZEV) und zur psychischen Befindlichkeit von Eltern und Kindern (Depressions-Angst-Stress-Fragebogen, DASS; Strength and Difficulties Questionnaire, SDQ) sowie zentrale Parameter der Stoffwechseleinstellung jeweils bei Studienstart nach 3 Monaten und nach 1 Jahr.

Ergebnisse: Die Familien, die sich trotz z.T. sehr großer Entfernungen (MW: 41km) zu einer Teilnahme an der Studie entschlossen hatten, nahmen sehr zuverlässig an den Gruppensitzungen teil (80% der Familien absolvierten alle 5 Gruppensitzungen sowie den sich anschließenden Telefonkontakt). Verglichen mit Müttern gesunder Kinder neigten die Mütter dieser Studie in Konfliktsituationen mit ihren Kindern vermehrt zu unangemessen heftigen negativen Reaktionen (EFB Skala Überreagieren: 3,3±0,8 vs. 3,8±0,8, p<0,01). Auch das mittlere Stressniveau war initial signifikant höher als das der Vergleichsgruppe (DASS Skala Stress: 15,8±7,3 vs. 11,2±7,2; p<0,01). Zum Postmesszeitpunkt haben die Eltern der Interventionsgruppe ihr Erziehungsverhalten in Konfliktsituationen auf allen Skalen des EFB signifikant verbessert (je p 0,01) und auch das Ausmaß an Angst und Depression im DASS verringert sich (je p<0,05). Die Unterschiede zur Kontrollgruppe werden dabei jedoch nicht signifikant.

Schlussfolgerungen: Größere psychische Belastungen, ein teilweise negativeres Erziehungsverhalten sowie Verbesserungen in der Interventionsgruppe lassen den zukünftigen Einsatz von Erziehungstrainings für Eltern chronisch kranker Kinder sinnvoll erscheinen. Es wurde jedoch auch deutlich, dass gerade für diese belasteten Eltern die langen Wege zu den Gruppenangeboten eine nachvollziehbare Teilnahmebarriere darstellen. Um für Folgestudien zum Delfin-Konzept und für dessen Implementierung in der Versorgung mehr Eltern eine Teilnahme zu ermöglichen, erscheint es notwendig alternative Angebotsformen (z.B. Wochenendschulungen, Kurzinterventionen oder Gruppensitzungen über Skype) zu entwickeln.