Diabetologie und Stoffwechsel 2011; 6 - P171
DOI: 10.1055/s-0031-1277442

Neurokognitive Leistung und strukturelles zerebrales MRI bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1

SE Hofer 1, S Pixner 2, M Starke 3, S Zotter 1, J Koehle 1, D Meraner 1, C Kremser 3, K Egger 3, M Schocke 3, L Kaufmann 2
  • 1Medical University of Innsbruck, Department of Pediatrics, Innsbruck, Austria
  • 2University of Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Department of Medical Sciences and Management, Institute of Applied Psychology, Innsbruck, Austria
  • 3Medical University of Innsbruck, Department of Radiology, Innsbruck, Austria

Fragestellung: Die Beeinträchtigung neurokognitiver Leistungen bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 (DM1) durch Hypoglykämien, insbesondere schwere Hypoglykämien ist seit längerem bekannt. Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass auch die chronische Hyperglykämie bei Diabetes mellitus zu Veränderungen der neurokognitiven Leistungen führen. Wir untersuchten Kinder und Jugendliche mit DM1 hinsichtlich Ihrer neurokognitiven Fähigkeiten und korrelierten diese mit strukturellen zerebralen Veränderungen sowie mit der metabolischen Einstellung (HbA1c).

Methodik: An 30 Kindern und Jugendlichen mit DM1 (mittleres Alter 14,3/SD±3,9a) und 19 gesunden Kontrollkindern (mittleres Alter 13,0/SD 3,2a) wurden PC-gesteuerte Testverfahren zur Erfassung (prä)frontaler (Arbeitsgedächtnis/Aufmerksamkeit, kognitive Flexibilität) und temporaler (Merkfähigkeit) Funktionsbereiche und ein zerebrales strukturelles MRI (Voxel-basierte Morphometrie und Diffusionstensor-Imaging) zur Untersuchung der neurofunktionalen Integrität von fronto-parietalen Hirnarealen durchgeführt. Je nach mittlerem HbA1c wurden die Patienten mit DM1 in zwei Gruppen eingeteilt (Gruppe 1, HbA1c ≤7,9%, n=15, mittleres Alter 14,7/SD 4,1 a und Gruppe 2, HbA1c ≥8,0%, n=15, mittleres Alter 13,9/SD 3,9a) und untereinander sowie mit der gesunden Kontrollgruppe (gematcht nach Alter, geschätzter intellektueller Leistungsfähigkeit, Geschlecht und Händigkeit) verglichen.

Ergebnisse: In Bezug auf die behavioralen Daten zeigten die Ergebnisse signifikante Gruppenunterschiede bezüglich der Bearbeitungsgenauigkeit bei einer Marker-Aufgabe zur Erfassung des räumlichen Arbeitsgedächtnisses (Spatial working memory/SWM; Subtest der PC-gestützten Testbatterie CANTAB). Die Gruppenunterschiede waren unabhängig von Alter und Bearbeitungsgeschwindigkeit. Signifikante Gruppenunterschiede waren auch hinsichtlich der strukturellen Bildgebung beobachtbar: die Kontrollgruppe wies ein höheres Totalvolumen der grauen und weißen Hirnsubstanz auf (graue Substanz: linkes anteriores Cingulum und linker Cuneus; weiße Substanz: bilateralem Uncus sowie rechter mittlerer temporaler Gyrus und linker mittlerer okzipitaler Gyrus). 56% der neurokognitiven Leistungsvarianz waren durch Erkrankungsdauer, Alter bei Diagnose und Volumen der weißen Hirnsubstanz im Uncus erklärbar.

Schlussfolgerungen: Diese Daten verbinden neurokognitive Testuntersuchungen mit strukturellen cerebralen Veränderungen und stärken die Hypothese, dass chronische Hyperglykämie bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mit neurokognitiven Dysfunktionen und strukturellen zerebralen Veränderungen korreliert. Dabei scheinen vor allem mediale Strukturen im Temporallappen (Uncus) eine wichtige Rolle bei der Prädiktion der neurokognitiven Leistungsvarianz zu spielen.