Diabetologie und Stoffwechsel 2011; 6 - P140
DOI: 10.1055/s-0031-1277411

Veränderungen der Diabetestherapie und Behandlungsqualität bei Patienten mit Typ-1-Diabetes 1989 bis 2010: die JEVIN-Studie

T Heller 1, C Kloos 1, N Müller 1, R Schiel 2, IS Ross 3, G Wolf 1, UA Müller 1
  • 1Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III; FB Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, Jena, Germany
  • 2MEDIGREIF-Inselklinik Heringsdorf GmbH, Fachklinik für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten, Heringsdorf, Germany
  • 3University of Aberdeen, Laboratory Medicine, Aberdeen, United Kingdom

Fragestellung: Veränderungen der Diabetestherapie und Behandlungsqualität einer geschlossenen Population von Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus über einen Zeitraum von 20 Jahren werden analysiert.

Methodik: Die JEVIN-Studie begann 1989/90 als Querschnittsuntersuchung zur Behandlungsqualität insulinbehandelter Diabetes-Patienten (n=190; Alter 16–60J) mit Wohnsitz in Jena. In 5-Jahres-Intervallen wurde die Kohorte nachuntersucht, 2004/05 und 2009/10 nur Patienten mit Typ-1-Diabetes. Seit Studienbeginn gab es enorme Veränderungen in Betreuungsstruktur und Therapie. 1989/90 wurde das Gesundheitssystem dezentralisiert sowie strukturierte Behandlungs- und Schulungsprogramme für intensive Insulintherapie eingeführt; 1995 wurden Diabetesschwerpunktpraxen gegründet, tierisches Insulin durch Humaninsulin ersetzt und die Insulinpumpentherapie eingeführt; tägliche Blutglukoseselbstkontrollen wurden zum Standard. Von 131 der 1989/90 untersuchten Patienten mit Typ-1-Diabetes wurden 2009/10 104 (79,4%) Patienten identifiziert. Untersucht wurden 68 (84%) der 81 Lebenden: Alter 59,4J; Frauen 35,3%, Diabetesdauer 36J (20–68), BMI 26,55kg/m2, Blutdruck 144/82mmHg. Die ermittelten HbA1c-Werte sind DCCT adjustiert (mittlerer HbA1c-Normwert 1989 4,2%; 1995 5,2%; 2000 5,4%; 2005 5,2%; 2010 5,6%).

Ergebnisse: Veränderungen in der Diabetestherapie: 1989 hatten 98% eine konventionelle Insulintherapie, ab 2004/05 hatten 100% der Patienten eine intensivierte Insulin- oder Insulinpumpentherapie. Die Blutglukoseselbstkontrollen stiegen von 2,5/Wo 1989 auf 35/Wo 2010 (p<0,001). Die Insulintherapie bestand 1989/90 zu 100% aus tierischem Insulin, 2000 hatten 78,6% Humaninsulin, 11,9% Human- + Analoginsulin, 9,5% tierisches + Human- + Analoginsulin. 2010 hatten 37,3% Analoginsulin, 35,8% Humaninsulin, 26,9% Human- + Analoginsulin. Veränderungen in der Behandlungsqualität: Die HbA1c-Werte betrugen 1989 7,5% (n=63), 1995 8,4% (n=52), 2000 7,5% (n=42), 2005 7,7% (n=48) und 2010 6,9% (n=67). Die Verschlechterung des HbA1c von 1989 bis 1995 (p=0,007) und die Verbesserung von 1995 zu 2000 (p<0,001) sowie von 1989 zu 2010 (p=0,008) sind signifikant. Die HbA1c-Werte von 1989 zu 2005 sind nicht signifikant different. Keine Retinopathie hatten 31%, keine Neuropathie 49% und keine Albuminurie 61%.

Schlussfolgerung: Die Betreuungsstruktur und Diabetestherapie von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 hat sich von 1989 bis 2010 gravierend verändert. Die zentralisierte Betreuung und konventionelle Therapie mit tierischem Insulin wird durch dezentrale Betreuung und intensive Therapie mit Analog- und Humaninsulin ersetzt. Nach einer Verschlechterung der Behandlungsqualität bis 1995 wird nach 10 Jahren die Ausgangsbehandlungsqualität wieder erreicht und nach 20 Jahren sogar übertroffen.