Aktuelle Urol 2011; 42(2): 86
DOI: 10.1055/s-0031-1275483
Klassiker der Urologie

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Die erste "blinde" Blasenstein-Lithotripsie

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Publication Date:
24 March 2011 (online)

 

Der 1792 im kleinen französischen Ort Salilhes bei Aurillac geborene Bauernsohn Jean Civiale kam mit 15 Jahren nach Paris, um dort Medizin zu studieren. Schon sehr bald setzte er sich mit der Problematik der Steinbildung in der Blase auseinander. In Paris war Anfang des 19. Jahrhunderts unter einigen Chirurgenkollegen ein wahrer Wettkampf um die Priorität einer Methode zur Steinzertrümmerung ausgebrochen. Der junge Jean Civiale sollte diesen Wettkampf gewinnen.

Jean Civiale (1792–1867), Stich von Maurin, Reproduktion Internationale Nitze-Leiter Forschungsgesellschaft für Endoskopie.

Jean Civiale war Assistent des bekannten Chirurgen Guillaume Dupuytren (1777–1835) in der Abteilung für Erkrankungen der Harnorgane im Pariser Spital Hôtel Dieu, als er 1818 seinen "Trilabe" zur intravesikalen Steinzertrümmerung präsentierte. Beim "Trilabe" handelte es sich um ein an der Spitze mit drei Zacken versehenes Instrument, das eingeführt und am Stein angesetzt, durch Drehbewegungen mithilfe eines Geigenbogens von außen den Stein zermalmte. Gries und Sand gingen "per urinem" ab.

Das Instrumentarium war entwickelt, doch nun sollten noch fünf weitere Jahre vergehen, bis Civiale erstmals wagte, diese Art der Steinzertrümmerung am Patienten zu erproben. Während die erste Behandlung an einem 64-jährigen Mann mit Steinleiden erst nach 18 Tagen erfolgreich abgeschlossen war, konnte Civiale seinem zweiten Patienten in nur einer einzigen fünfminütigen Sitzung den Stein zermalmen. Bereits drei Jahre nach Studienabschluss hatte Jean Civiale im Jahr 1823 einen Meilenstein in der Geschichte der Blasensteinentfernung gesetzt.

Patientenlagerung während der Lithotripsie, 1826 (Internationale Nitze-Leiter Forschungsgesellschaft für Endoskopie).

Schon im nächsten Jahr führte Civiale weitere Lithotripsien durch, die ihn über die Grenzen hinaus bekannt machten. Dank guter Quellenlage ist die Behandlung des ungarischen Gelehrten Franz Xaver von Zach (1754–1832) eindrucksvoll dokumentiert. Seine Briefe zeugen von tiefer Dankbarkeit für Jean Civiale, der den 72-jährigen Patienten in 25 Sitzungen vom qualvollen Steinleiden befreit hatte.

Der Trilabe, der den Stein "zerstört" (Nitze-Leiter Forschungsgesellschaft für Endoskopie).

Obwohl die Lithotripsie bei alteingesessenen Chirurgen wie Guillaume Dupuytren und Vincenz Kern (1760–1829) auf erbitterten Widerstand stieß, fand sie schnell weite Anerkennung. Schon 1828 wurde im Pariser Hôpital Necker eine Spezialabteilung für Steinkranke gegründet, in der Civiale mittellose Patienten behandelte und interessierten Ärzten aus ganz Europa seine Methode demonstrierte.

Literatur beim Autor

Michaela Zykan, Wien

Korrespondenz

Mag.a phil. Michaela Zykan

Internationale Nitze-Leiter Forschungsgemeinschaft für Endoskopie

Währinger Straße 25

A-1090 Wien

Email: Michaela.Zykan@meduniwien.ac.at