Rofo 2011; 183(4): 397-398
DOI: 10.1055/s-0031-1274622
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Interview – Radiologie ist ein Ganzkörperfach

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Publication Date:
05 April 2011 (online)

 

Schlaganfall, Brustkrebserkennung und Sportmedizin – das Programm des 92. Deutschen Röntgenkongresses trägt dem Motto „Radiologie ist Vielfalt“ eindrucksvoll Rechnung. Die beiden Kongresspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bernd Hamm (Berlin) und sein österreichischer Kollege Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hruby (Wien) geben einen ersten Einblick in die Themen des größten deutschsprachigen Kongresses der bildgebenden Medizin Anfang Juni in Hamburg.

Univ.-Prof. Dr. Bernd Hamm

Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hruby

Sie haben für den diesjährigen Röntgenkongress das Motto „Radiologie ist Vielfalt“ ausgewählt. Worin zeigt sich diese Vielfalt?

Hamm: Die Vielfalt zeigt sich in sehr unterschiedlicher Weise. Einmal die Vielfalt des medizinischen Spektrums – von der Diagnostik bis zur Therapie –, aber auch die Vielfalt der radiologischen Tätigkeit, sowohl in der Praxis als auch im Krankenhaus. Dann die Vielfalt der beruflichen Chancen: Die Radiologie ist ein Fach, das sich auch gut in Teilzeit ausüben lässt und ausgesprochen familienfreundlich ist. Hruby: Unser Fach ist eines der wenigen, das man als Ganzkörperfach bezeichnen kann, eine Disziplin, die sich ganzheitlich mit allen Erkrankungen des Menschen beschäftigt und – bis auf wenige Ausnahmen – bei jedem Patienten sowohl den Beweis als auch den Ausschluss einer Verdachtsdiagnose erbringt. Und damit die Therapieentscheidung und den Therapieverlauf beeinflusst. Das ist die Vielfalt unseres Faches, wie sie in allen Bereichen und Phasen von Erkrankungen, die einem Menschen im Laufe seines Lebens widerfahren können, zum Tragen kommt und für die Patienten und Patientinnen entscheidend von Bedeutung ist.

Mit welchen Themenschwerpunkten dürfen die Teilnehmer des Jahres 2011 rechnen und welche medizinischen Neuerungen möchten Sie innerhalb dieser Themenschwerpunkte hervorheben?

Hruby: Der Kongress ist wie die gesamte medizinische Entwicklung einem permanenten dynamischen Verlauf unterworfen– von der Neuroradiologie bis hin zur Interventionellen Radiologie, die dem Patienten große, invasive Eingriffe erspArt. und den chi–rurgischen Verfahren gleichwertig gegenüber steht oder sogar besser ist. Darüber hinaus bietet das Kursprogramm dem Radiologen die Möglichkeit, Wissen aufzufrischen und zu komplettieren. Der Weiterbildungsassistent kann auf dem Kongress Kenntnisse für die Facharztprüfung sowohl in Deutschland als auch in Österreich erwerben. Hamm: Wir haben ganz bewusst Schwerpunktthemen festgesetzt. Ein Schwerpunkt – Herr Hruby sprach es bereits an – ist die Neuroradiologie. Innerhalb der Neuroradiologie diskutieren wir die neuen Diagnosemöglichkeiten durch hohe Magnetfeldstärken, die u. a. zu einer Verbesserung der Diagnostik des Schlaganfalls führen: Wir wissen damit genauer, welche Hirnregionen bei einem Schlaganfall verloren sind und um welche Anteile des Hirngewebes es sich zu kämpfen lohnt, um diese Teile aufrechtzuerhalten.Dann das Thema Brustkrebserkennung: Wir werden uns über die Qualitätssicherung in der mammografischen Diagnostik unterhalten. Es geht aber auch um die Frage, welche Methode die Röntgenmammografie im Screening in Zukunft ablösen kann. Mittelfristig besonders spannend ist dabei die MR-Mammografie ohne den Einsatz von Kontrastmitteln. Ein weiteres Thema wird der Strahlenschutz sein: 40% der radiologischen Strahlenexposition resultiert aus der Computertomografie. Das ist uns bewusst, und wir arbeiten intensiv daran, diese Exposition weiter zu senken. Ziel ist es, zum Beispiel eine CT des Herzens auf das Dosisniveau einer normalen Röntgen-Thorax-Aufnahme zu bringen.Schließlich haben wir das Thema Sportmedizin ausgewählt. Das sind nicht nur die Gelenke, sondern ich würde das Thema überschreiben mit dem Titel „fit for fun“. Zum Beispiel gibt es Studien, die festgestellt haben, dass Marathonläufer häufig schon verdeckte Herzinfarkte hatten, die man heute durch die MRT nachweisen kann. Diese Personen bedürfen einer besonderen Betreuung, um ihren Sport weiterhin erfolgreich ausführen zu können. Hruby: Die Radiologie hilft dem Sportler, die Möglichkeiten der Belastbarkeit an seine physiologischen Gegebenheiten anzupassen. Jemand möchte mehr Sport treiben, hat aber irgendwann ein Knieproblem gehabt. Mit der MRT können wir sehr genau kleinste Knorpelläsionen nachweisen und sagen: Diese Belastung ist zumutbar, jene nicht. Gleiches gilt natürlich auch, wie Herr Kollege Hamm sagte, für die Belastung des kardiovaskulären Systems. Hamm: Ich möchte auch unseren letzten Themenschwerpunkt hervorheben, die Tumorablation: Bei dieser minimalinvasiven, bildgesteuerten Therapie werden Tumoren durch den Einsatz von Hitze, Kälte und Radiowellen verödet. Die Tumorablation stellt mehr und mehr eine Therapieoption für Tumoren dar, die dem Chirurgen nicht zugänglich sind, oder in Fällen, in denen sich eine Chemotherapie nicht anbietet.

Herr Professor Hruby, zum sechsten Mal wird der Kongress in Kooperation mit der Österreichischen Fachgesellschaft ausgerichtet werden. Was sind spezifisch österreichische Akzente des diesjährigen RöKo?

Hruby: Zunächst einmal: Die Herausforderungen in unserem Fach sind länderübergreifend vollkommen ident. Es gibt einen Akzent, aber auch den haben wir gemeinsam mit den deutschen Kollegen eingebracht, zum Thema „Radiologe trifft Hausarzt“. Das ist eine wichtige Kooperation zwischen diesen beiden Arztgruppen, weil der hausärztliche Kollege den Patienten zuerst sieht und ihn dann dem Radiologen zuweist. Diese Zusammenarbeit ist ein ganz wesentlicher Bestandteil, um die therapeutische Reaktionszeit zu verkürzen. Dies ist die Basis zu mehr Effizienz und Ökonomie im Gesundheitssystem. Hamm: Ich möchte die ausgesprochen exzellente und konstruktive Zusammenarbeit zwischen beiden Fachgesellschaften hervorheben, die streng an den Sachthemen orientiert war und nicht vom Proporz geleitet war.

Nach 6 Jahren Berlin kommt der Kongress nach Hamburg – Was erwarten Sie sich vom Standort Hamburg?

Hamm: Es ist das Interesse am Neuen – zunächst einmal an den Neuerungen unseres Faches, aber natürlich auch an einer neuen Umgebung. Hamburg als Großstadt mit hanseatischem Flair verspricht eine interessante Umgebung zu sein und gerade mit dem Termin Anfang Juni erwarten wir sogar in Hamburg gutes Wetter! Hruby: Die Attraktivität der Stadt, die freundliche Aufnahme, die Möglichkeit eines Kongresses der kurzen Wege vermitteln eine Stimmung, auf die sich jeder Kongressteilnehmer freuen kann.

Der Kongress ist auch ein wichtiges Instrument der Nachwuchsförderung und der Weiterbildung für angehende Fachärzte. Was planen Sie in diesem Jahr für die Medizinstudenten – Stichwort „Hellste Köpfe“ – und welches Programm gibt es für die Weiterbildungsassistenten?

Hruby: Für die Weiterbildungsassistenten werden wieder mehrere Veranstaltungen der Reihe „Fit für den Facharzt“ angeboten. Das bekannte Sessionformat mit interaktivem TED hat ein breites thematisches Spektrum und unterstützt die Weiterbildungsassistenten bei der Vorbereitung auf die Facharztprüfung. Und die Studenten bekommen als „hellste Köpfe“ ein auf ihre Fragen und Themen zugeschnittenes Programm kombiniert mit gesellschaftlichen Aktivitäten. Hamm: Die Radiologie kümmert sich verstärkt um die Nachwuchsförderung. Dazu gehört das Programm „Die hellste Köpfe für die Radiologie“, das Studenten den kostenlosen Besuch des Röntgenkongresses ermöglicht. Wir bemerken ein stark zunehmendes Interesse der Studenten an der Radiologie, weil dieses Fach technische Innovationen, Diagnostik und Therapie verbindet. Das Programm ermöglicht den Studierenden einen Einblick in die Tätigkeit eines/r Radiologen/in und hilft, die Entscheidung der Facharztwahl zu erleichtern und zu untermauern. 300 Studenten nahmen 2010 teil, wir rechnen 2011 mit einer ähnlich hohen Resonanz.

Seit Jahren verzeichnet der Röntgenkongress steigende Zahlen bei den MTRAs. Was hält das Kongressprogramm in diesem Jahr für MTRAs bereit?

Hamm: Das Programm für die MTRAs auf dem RöKo ist seit vielen Jahren ein erfolgreiches Projekt. In der täglichen Praxis gibt es ja eine Arbeitsteilung zwischen dem Radiologen und der MTRA, die ganz entscheidend ist für die erfolgreiche Durchführung einer Untersuchung, aber auch ganz entscheidend ist für den Strahlenschutz. Das spiegelt sich im Programm wider. Wir unterteilen in diesem Jahr auch das Kursangebot für Einsteiger und Fortgeschrittene. Es finden sich natürlich auch klinische Themen im MTRA-Programm, wie z. B. „Tinnitus in Diagnostik und Therapie“. Die MTRA hat nämlich nicht nur ein Technikverständnis, sondern verfügt auch über medizinische Grundlagen. Hruby: Es ist notwendig, auch Basiskenntnisse über die Entstehung und die Physiologie von Krankheiten zu besitzen. Die MTRA-Fortbildung auf dem Kongress verbindet beides: die Vermittlung technischer Kenntnisse – auch Kenntnisse der Dokumentation – mit medizinischem Wissen. Aus dieser Kombination resultiert der Erfolg des MTRA-Programms.

Professor Dr. Bernd Hamm (Berlin), Präsident des 92. Deutschen Röntgenkongresses

Prim. Univ. Prof. Dr. Walter Hruby, Präsident des 92. Deutschen Röntgenkongresses

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