Gesundheitswesen 2011; 73 - P45
DOI: 10.1055/s-0031-1274494

Familiengesundheit in Deutschland – eine Aufgabe im öffentlichen Gesundheitsdienst

A Weskamm 1
  • 1DBfK-Bundesverband, Kompetenzzentrum Familiengesundheitspflege

Familien spielen eine unverzichtbare Rolle in der gesundheitlichen Entwicklung. Sie fungieren als Sozialisationsinstanz, in denen gesundheitswirksames Verhalten erlernt und Gesundheitsüberzeugungen geprägt werden. Sie fungieren auch als Versorgungsinstanzen im Fall von akuter und chronischer Krankheit und leisten den Hauptanteil der Versorgung in der häuslichen Langzeitversorgung. Andererseits sind Familien – gerade z.B. mit kleinen Kindern, mit Migrationshintergrund, mit kranken oder behinderten Familienangehörigen – sozial, wirtschaftlich und gesundheitlich benachteiligt. Ein familiensystemischer Ansatz ist im öffentlichen Gesundheitswesen bisher kaum vorhanden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit der Erklärung von Alma-Ata (1978), der Ottawa Charta (1986) und dem Rahmenkonzept „Gesundheit 21– Gesundheit für alle„ die Bedeutung der primären Gesundheitsversorgung und der Gesundheitsförderung hervorgehoben. Mit der Erklärung von München (2000) wurde die wichtige Rolle von Pflegenden und Hebammen in den Bereichen der Prävention und Gesundheitsförderung betont und Familiengesundheitspflege als mögliches Wirkungsfeld benannt. Vor diesem Hintergrund wurde eine multinationale Pilotstudie der WHO Europa zur Etablierung der „Family Health Nurse„ (Familiengesundheitspflege) ins Leben gerufen. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. ist in seiner Funktion als „WHO Collaborating Center Pflege„ Träger des Modellprojektes für Deutschland. Mit Förderung der Robert-Bosch-Stiftung und dem Bundesministerium für Gesundheit wurde von 2004–2008 das Modellprojekt „Familiengesundheitspflege„ durchgeführt. Ziel war es, Auskunft über die Machbarkeit der Familiengesundheitspflege in Deutschland Auskunft zu erhalten. Die wissenschaftliche Begleitforschung erfolgte durch die Universität Witten/Herdecke. Mit Gründung des Kompetenzzentrum 2009 wird jetzt die Implementierung des Leistungsangebotes Familiengesundheitspflege sowie die flächenhafte Qualifizierung von Pflegekräften und Hebammen im Bereich von Familiengesundheit angestrebt. Das Tätigkeitsfeld Familiengesundheit erweitert die originären Berufstätigkeiten der Pflegenden und Hebammen in drei Bereichen: 1. Fokus auf Gesundheitsförderung und Prävention, 2. Fokus auf die Familie/Gemeinde und 3. Aufsuchende Betreuung im häuslichen Umfeld.

Die 2-jährige berufsbegleitende Weiterbildung ermöglicht Pflegefachkräften und Hebammen eine Spezialisierung für die aufsuchende, salutogenetisch und systemisch orientierte Arbeit mit Einzelpersonen, Familien und Gruppen im häuslichen Umfeld. Familiengesundheitspflegerinnen und -hebammen beraten Familien in Gesundheitsfragen, knüpfen Netzwerke und vermitteln weitere Hilfen, bieten bei Krankheit und Behinderung Pflege an, erkennen mögliche Versorgungslücken und greifen in Krisenzeiten unterstützend ein. Sie sind in Projekten, in der Kommune, beim MDK und in Beratungsstellen tätig und entlasten so ärztliche Strukturen. Alle Informationen unter www.familiengesundheitspflege.de oder unter 030–2191570.