Klinische Neurophysiologie 2011; 42 - P281
DOI: 10.1055/s-0031-1272728

Zungenbrennen und Paraesthesien der Hände

J. Riester 1, D. Claus 1
  • 1Darmstadt

Eine 39-jährige Vegetarierin litt seit Jahren unter Zungenbrennen und Anämie, weshalb die orale Gabe von Eisen, Folsäure und Vitamin B12 + 6 erfolgte. Seit 5 Tagen bestand ein unangenehmes Kältegefühl mit Paraesthesien der Finger beider Hände.

Klinisch fand sich eine Allodynie beider Hände, ansonsten lag eine regelrechte Sensibilität für alle Qualitäten an Armen und Beinen vor. Die Muskeleigenreflexe waren mittellebhaft. Pyramidenbahnzeichen, eine Ataxie, kognitive Beeinträchtigungen oder eine klinisch manifeste Polyneuropathie fanden sich nicht.

Labor: Hämoglobin 12,0g/dl, Erythrozyten 3,09 Mio/ul, MCV mit 115 fl, Vitamin B 12 71pg/ml (NW 160–920), Homocystein 68,1umol/l (NW 5–12).

Methylmalonsäuretest: Methylmalonsäure in 10ml Spontanurin 173,0mg/g Kreatinin (Norm<4), Antikörper gegen Parietalzellen mit Titer 1/160 positiv.

Kernspinuntersuchung des Zervikalmarks: deutliche Hyperintensität der Hinterstränge (T2- Gewichtung).

Medianus-SEP: verspätete kortikale Reizantworten (N20).

Tibialis-SEP und MEP (zentrale motorische Leitungszeiten) waren unauffällig.

Gastroskopie: Chronische Antrumgastritis, Stromafibrose, foveoläre Hyperplasie, chronische intestinale Metaplasie und Lymphfollikelbildung. Korpusschleimhaut mit Drüsenatrophie und antraler Metaplasie.

Therapie: Vitamin B12täglich 1000 ug intramuskulär (i.m.) für 4 Wochen, dann 1000ug B12 i.m. einmal pro Woche ein Leben lang.

Kontrolle nach 4 Monaten: Regelrechter neurologischer Untersuchungsstatus ohne Allodynie der Hände und Zungenbrennen. Kernspinbefund des Halsmarks: normalisierter Befund. Medianus-SEP: kortikale Reizantworten mit normalen Latenzen.

Labor: Hb 12,9g/dl, Erythrozyten 4,06 Mio/ul, MCV 96fl, Vitamin B12 im Serum >2000pg/ml.

Schlussfolgerung: Vitamin-B12-Mangel kann zu neurologischen Symptomen führen, im Vordergrund steht hier die funikuläre Myelose.

Es müssen jedoch nicht typischerweise Zeichen mit einer Lagesinnstörung und Pallhypaesthesie sowie Pyramidenbahnzeichen an den unteren Extremitäten gefunden werden. Die Symptomatik kann an den oberen Extremitäten beginnen. Bei rechtzeitig eingeleiteter Therapie hat die Symptomatik ein gutes Rückbildungspotential.