Zentralbl Chir 2011; 136(5): 420-421
DOI: 10.1055/s-0031-1271457
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Was erwartet der Nephrologe von der invasiven Therapie der Nierenarterienstenose?

What does the Nephrologist Expect from the Invasive Treatment of Renal Artery Stenosis?J. Kron1
  • 1KfH-Nierenzentrum, Berlin-Köpenick, Berlin, Deutschland
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Publication Date:
04 May 2011 (online)

Nierenerkrankungen mit vaskulärem Hintergrund sind heute die Hauptursache der chronischen Niereninsuffizienz und führen in vielen Fällen zur terminalen Niereninsuffizienz. 

Die vaskuläre Nephropathie beschränkt sich jedoch nicht auf die renale makrovaskuläre Angiopathie in Form der Nierenarterienstenose. Diese steht zunächst im natürlichen Blickfeld von Gefäßchirurgen und interventionellen Radiologen. Viel wesentlicher für die Prognose des Patienten ist jedoch die renale mikrovaskuläre Angiopathie [1] (Synonyma: Nephrosklerose, Arterio-Arteriolosklerose, ischämische Nephropathie). Diese wird in ihrer Bedeutung häufig unterschätzt. Patienten mit einer generalisierten atherosklerotischen Gefäßerkrankung haben immer auch eine mikrovaskuläre Nephropathie. Damit wird klar, dass der Patient mit einer atherosklerotischen Nierenarterienstenose gleichzeitig auch an einer mikrovaskulären Nephropathie leidet. Ihr Ausmaß ist für die Prognose entscheidend [1]. Nur mit einer konsequenten medikamentösen Therapie [2], insbesondere mit einer normotonen Blutdruckeinstellung, lässt sich ein Fortschreiten des Nierenfunktionsverlustes erfolgreich aufhalten. Die Beseitigung einer vorgeschalteten Nierenarterienstenose löst das Problem der mikrovaskulären Nephropathie hingegen in keiner Weise. Diese bleibt auch nach einer Beseitigung einer Nierenarterienstenose bestehen. Durch die interventionelle Beseitigung der ersten Barriere wird das Problem der verminderten Durchblutung nur bis zur zweiten Barriere verschoben. Beim niereninsuffizienten Patienten mit einer fortgeschrittenen mikrovaskulären Nephropathie kann mit der Beseitigung der Nierenarterienstenose demzufolge keine Verbesserung der renalen Mikrozirkulation erreicht werden. Dies erklärt die unbefriedigenden Ergeb­nisse der Interventionsstudien. 

Daher verwundert es den Nephrologen nicht, dass in Metaanalysen [3] keine randomisierten Studien gefunden wurden, die durch eine Intervention irgendeinen Vorteil belegen konnten. 

Im vorigen Jahr wurde mit der ASTRAL-Studie [4] die bisher größte randomisierte Studie zur interventionellen Therapie der atherosklerotischen Nierenarterienste­nose publiziert. Es wurden 806 Patienten mit ­einer durchschnittlich 76 %igen Stenose, ­einem Durchschnittsalter von 70 Jahren und einem durchschnittlichen Serum­krea­ti­ninspiegel von 179 µmol / l eingeschlossen, wenn sich der behandelnde Arzt un­sicher war, ob der Patient von ­einer Revaskularisierung profitieren würde. 

In ihrem Abstract kamen die Autoren zu der ernüchternden Schlussfolgerung: „Wir fanden substanzielle Risiken, aber keine Evidenz für einen klinischen Nut­zen für die Revaskularisation bei Patienten mit atherosklerotischen Nierengefäßerkrankungen.“ 

Damit ergibt sich die Frage, ob nach ASTRAL überhaupt noch eine Indikation für eine Intervention an einer Nierenarterienstenose besteht. 

Patienten mit einer Nierenarterienste­nose sind kardiovaskuläre Hochrisikopatienten. 40 % der Patienten der ASTRAL-Studie verstarben innerhalb von 5 Jahren und ­jeder Zweite erlitt ein kardiovaskuläres Ereignis. Unterschiede mit und ohne Intervention bestanden allerdings nicht. 

Durch die Intervention konnte auch nicht die Nierenfunktion verbessert werden, auch nicht bei doppelseitigen Stenosen über 70 %. Andererseits gelang es durch die konsequente medikamentöse Therapie in erstaunlicher Weise, die Nierenfunktion über 5 Jahre stabil zu halten. 

Okklusionen der stenosierten Nierenarterien traten innerhalb von 5 Jahren in beiden Gruppen nur zu 1 % auf, in der Interventions-Gruppe allerdings in 4 von 5 Fällen unmittelbar nach der Intervention. 

Hinsichtlich der Blutdruckeinstellung zeigten sich mit und ohne Intervention keine Unterschiede bei insgesamt in beiden Gruppen normnaher Einstellung. 

Somit ergibt sich aus der ASTRAL-Studie insgesamt eine Indikation zur strengen intensivierten medikamentösen Therapie. Angesichts des fehlenden Benefits und ­einer Komplikationsrate von 9 % besteht zu einem interventionellen Eingriff hin­gegen heute im Allgemeinen keine Indikation mehr. Dies ist auch unter haftungsrechtlichen Aspekten zu berücksichtigen. 

Dank der Ergebnisse der ASTRAL-Studie wissen wir heute, bei welchen Patienten (Faustregel: 75 %ige Stenose bei 70-jährigen Patienten mit einem Kreatinin von 2 mg / dl) wir nicht invasiv intervenieren dürfen. Zur Beantwortung der Frage, welche Patienten von einer Beseitigung der Nierenarterienstenose profitieren würden, führt auch ASTRAL zu keinen neuen Erkenntnissen. 

Ab welchem Stenosegrad hat eine Nierenarterienstenose eine klinische Relevanz? Frühere experimentelle Untersuchungen zeigten, dass es erst ab einer Stenosierung von mehr als 80 % zu einer Verminderung der Durchblutung kommt und bei einer 90 %igen Stenose die Durchblutung etwa halbiert ist [5] [6] . Damit wird klar, dass die Indikation zur Intervention in der Vergangenheit wesentlich zu großzügig gestellt worden ist. 

Trotz alledem können wir in der Praxis immer wieder Patienten sehen, bei denen die Intervention vorteilhaft verlief. Hier handelt es sich offenbar um Patienten, bei denen keine oder nur eine geringe mikrovaskuläre Nephropathie vorliegt. 

Radermacher u. Mitarb. [7] zeigten, dass bei einem Widerstandsindex der kontralateralen Niere von unter 0,8 durch die inter­ventionelle Beseitigung der Nierenarterienstenose Nierenfunktion und Blutdruckeinstellung verbessert werden konnten. Bei diesen Patienten kann eine nur leichte mikrovaskuläre Nephropathie angenommen werden. Patienten mit einem Widerstandsindex von 0,8 und mehr profitierten hingegen in keiner Weise von ­einer Intervention. 

Solche Patienten mit einer isolierten ­atherosklerotischen Nierenarterienstenose ohne eine generalisierte Gefäßerkrankung stellen jedoch ohnehin eine Sel­tenheit dar. Da auch hier bisher keine ­kontrollierten randomisierten Studien vorliegen, fehlt der Vergleich zu einer rein konservativ behandelten Gruppe. 

Ob Patienten mit einer über 80 bis 90 %igen Stenose, Patienten mit einem rasch progredienten Nierenfunktionsverlust oder rezidivierenden Lungenödemen von einer Intervention profitieren können, müssen weitere randomisierte Studien zeigen. Außerhalb von Studien oder Registern sollten auch bei diesen Indikationen keine Angioplastien durchgeführt werden. 

In jedem Falle ist vor einer geplanten Intervention die Einbeziehung eines erfahrenen Nephrologen erforderlich. Auch die Nachbeobachtung von Patienten mit einer Nierenarterienstenose, ob mit oder ohne Intervention, sollte hinsichtlich des wei­teren Verlaufs und einer Optimierung der antihypertensiven Therapie durch den Nephrologen erfolgen. 

Literatur

  • 1 Wright J R, Duggal A, Thomas R et al. Clinicopathological correlation in biopsy-proven atherosclerotic nephropathy: implications for renal functional outcome in athero­sclerotic renovascular disease.  Nephrol Dial Transplant. 2001;  16 765-770
  • 2 Losito A, Errico R, Santirosi P et al. Long-term follow-up of atherosclerotic renovascular disease. Beneficial effect of ACE inhibition.  Nephrol Dial Transplant. 2005;  20 1604-1609
  • 3 Balk E, Raman G, Chung M et al. Effectiveness of management strategies for renal artery stenosis: a systematic review.  Ann Intern Med. 2006;  145 901-912
  • 4 The ASTRAL Investigators . Revascularisation versus medical therapy for renal-artery stenosis.  N Engl J Med. 2009;  361 1953-1962
  • 5 May A G, Van de Berg L, DeWeese J A et al. Crit­ical arterial stenoses.  Surgery. 1963;  54 250-259
  • 6 Flanigan D P, Tullis J P, Streeter V L et al. Multiple subcritical arterial stenoses: effect on poststenotic pressure and flow.  Ann Surg. 1977;  186 663-668
  • 7 Radermacher J, Chavan A, Bleck J et al. Use of Doppler ultrasonography to predict the outcome of therapy for renal-artery stenosis.  N Engl J Med. 2001;  344 410-417

Dr. J. Kron

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