Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70 - A23
DOI: 10.1055/s-0030-1269981

Aktuelle Therapiestrategien des malignen Ascites bei gynäkologischen Malignomen

J Sehouli 1, H Woopen 1, G Oskay-Öezcelik 1
  • 1Berlin-Wedding

Der maligne Aszites ist für Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren und Onkogynäkologen ein gravierendes Problem. Es ist bekannt dass in der Primärsituation beim Ovarialcarcinom, beim Endometriumcarcinomtyp II eine Peritonealcarcinose mit Aszites auftreten kann. In der Rezidivsituation und in der metastasierten Situation findet man Aszites und Peritonealcarcinosen bei Ovarialkarzinomen, Mammakarzinomen, Endometriumkarzinomen (beider Typen), aber auch gelegentlich beim Zervixkarzinom, jedoch fast nie beim Vulvakarzinom. Die Tumore befallen in erster Linie das Peritoneum 76%, die Lymhknoten in 68%, das Colon in 52%, das Diaphragma in 44%, das Mesenterium in 36%, den Dünndarm in 27% und die Bursa omentalis in 12%.

Aszites über 500ml tritt in 30% der Patientin mit einem primären Ovarialkarzinom FIGO III/IV auf. Der maligne Aszites macht typische Symptome wie Völlegefühl, Bauchumfangszunahme, Gewichtszunahme trotz eingeschränktem Appetit und eingeschränkter Nahrungsaufnahme, aber auch abdominelle Schmerzen, Dyspnoe und Obstipation. Von vielen Patientinnen wird Aszites als „Bauch voller Tränen“ beschrieben. Folgende Therapieoptionen werden beim malignen Aszites diskutiert:

  • Punktion

  • Diuretika?

  • Systemische Chemotherapie?

  • Intraperitoneale Chemotherapie?

  • HIPEC?

  • Symptomatische Behandlung und Schmerztherapie.

Die Parazentese liefert eine gute aber nur kurzzeitige Symptomkontrolle, es besteht Infektionsgefahr und die Möglichkeit einer Peritonitis die mit weniger als 1% angegeben wird. Eiweiß und Salzverlust müssen ausgeglichen werden, ebenso der Eiweißverlust ggf. durch Albuminsubstitution, wobei hier bekannter Maßen keine Langzeiteffekte zu erzielen sind. Randomisierte Studien liegen nicht vor. Die Aszitespunktion kann zu Komplikationen wie Darmperforation, Blutung der Einstichstellen, abdominalen Blutungen, Schmerzen, Entzündung (Erysipel oder abdominale Abszesse) aber auch zu Hypotonie oder Katheterkomplikationen führen. Zur Ableitung des Aszites wurden verschiedene Shuntsysteme entwickelt, unter anderem splenorenale, portocavale aber auch TIPSS und der sogenannte Denver-Shunt.

Ist eine Aszitesbehandlung mit Diuretika sinnvoll? Zu dieser Fragestellung liegen keine prospektiv randomisierte Studien vor. Kleine Fallzahlen zeigen das Diuretika verwendet werden, wobei auf das Thromboserisiko geachtet werden muss. Auch zur Albuminsubstitution nach Aszitespunktion liegen keine randomisierten Daten vor.

Welche Rolle spielt die intraperitoneale Chemotherapie: Hier werden in erster Linie Zystostatika wie Cisplatin, 5-FU, Methotrexat, Carboplatin und Paclitaxel eingesetzt. Man geht von der Hypothese aus, das hohe Dosen zytotoxischer Substanzen auf peritoneale Tumorzellen treffen und hiermit geringerem Proxizitätsprofil wirken. Andererseits ist die Penetration der Substanzen im Tumorgewebe gering (1mm), die Verteilung der antineoplastischen Zytostatika ist ungleichmäßig. Eine notwendige Flüssigkeitsvolumenmenge für adaequate Verteilung wurde bisher nicht definiert. Diese Therapieoption kann im Sinne einer Chemoperitonitis schmerzhaft sein. Die Substanzen werden teilweise resorbiert und machen systemische Nebenwirkungen. Es besteht auch Evidenz für höhere Nebenwirkungen unter einer intraperitonealen Chemotherapie. Zusammenfassung: Der Aszites ist ein schwerwiegendes Symptom, der häufig zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führt. Der Nutzen von Diuretika ist zweifelhaft und wahrscheinlich nur temporär, darunter die Parazentese liefert nur eine kurze Erleichterung. Peritoneo-venöse Shunts sind eine mögliche aber invasive Alternative. Die spezifischen Therapieoptionen sind bisher nur unzureichend systematisch untersucht worden: meist liegen nur kleine Fallzahlen, gemischte Entitäten und unterschiedliche Endpunkte vor, die eine Vergleichbarkeit erschweren.

Es gibt vielversprechende neue Therapieansätze, so zum Beispiel Antikörpertherapie mit Anti-VEGF, aber auch die Therapie mit Catumaxomab kurz EpCAM. Dabei handelt es sich um ein einen multifunktionalen Antikörper, der eine verstärkte Immunantwort induziert. Im Mittelpunkt stehen hier die Zytokine der dendritischen Zellen sowie der natürlichen Killerzellen und der Wirkmechanismus des Antibody dependent cellular toxicity ADCC. Die EpCAM-Expression wurde in auch in normalen Geweben nachgewiesen, wobei hier für die Gynäkologie speziell das Ovar, Uterus, Gebärmutterhals, Brustdrüse und Adnexen eine Rolle spielen. In Tumoren konnte EpCAM in Ovarialcarcinomen nachgewiesen werden, im Endometriumcarcinom, im Gebärmutterhalscarcinom und im Mammacarcinom. Der Einsatz von Catumaxomab erfolgt derzeit in verschiedenen randomisierten Studien, wobei überwiegend Paracentesis + Catumaxomab gegen Paracentesis allein geprüft wird. Als primärer Endpunkt wird hier überwiegend das sogenannte punktionsfreie Überleben angegeben, was eindeutig darauf hinweist, das es hier nicht um Überlebensvorteile wohl aber um eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität geht, was bisher auch nachgewiesen werden konnte. Das Nebenwirkungsspektrum zeigt zytokinfreisetzungsbezogene Symptome wie Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Tachycardie und Hypotonie aber auch hämatologische Probleme wie Lymphopenie, Leukozytose und Anämie. Andere nicht hämatologische Nichtnebenwirkungen sind Abdominalschmerzen, Anstieg des C-reaktiven Proteins, Diarrhoe, Anorexie, Anstieg der Alkalinphospotase, der Aspatataminotransferase der Alaninaminotransferase sowie seltener Ileus oder Schmerzen. Derzeit läuft die sogenannte CASIMAS-Studie bei der es sich um eine zweiarmige randomisierte open-label, phase IIIb Studie handelt, bei die Sicherheit einer 3 Stunden i.p. Infusion von Catumaxomab mit und ohne Prednisolonvorbehandlung dem Patienten mit malignem Aszites von epithelialen Tumoren untersucht wird.

Es wird der Fall einer 58-jährigen Patientin mit Ovarialkarzinomrezidiv nach Erstdiagnose Januar 2007 vorgestellt, bei der ein seröses Ovarialkarzinom des initiales Stadiums pT3c, pN0, pM1, G2, L1, V0 mit Adnexektomie beidseits, tiefer anteriorer Rectumresektion, Appendektomie, infragastraler Omentektomie, Cholezystektomie, Leberteilresektion (Teilsegment I), Zwerchfell- und Blasendeperitonealisierung, Lymphknotensampling therapiert wurde. Anamnestisch wurde bei dieser Patientin bereits Jahre zuvor wegen eines Uterus myomatosus die vaginale Hysterektomie durchgeführt, ein arterieller Hypertonus war bekannt und eine Lungensegmentarterienembolie rechts im Stadium II wurde später überlebt. Die Patientin erhielt 6 Zyklen Carboplatin AUC5 und Paclitaxel 175mg/m2 bis 05/2007. Im August 2007 kam es dann zu einem Rezidiv mit Tumordestruktion der Hepaticusgabel. Es erfolgte die Einlage eines Gallengangsstents mit anschließender systemischer Therapie im Rahmen einer Studie (Topotecan weekly) von 08/2007–02/2008. Später von 07/2008–09/2008 erfolgte die Behandlung mit Sunitinib und von 12/2008–6/2009 die Behandlung mit Tamoxifen 20mg/d. Im Januar 2009 kam es wieder zu einer Bauchumfangszunahme und einem sonographisch nachweisbaren zunehmenden Aszites. Hieraufhin wurden intermittierend verschiedentliche Aszitespunktionen seit Februar 2009 durchgeführt, weswegen es dann auch zum Entschluss zu einer Catumaxomab-Therapie wegen rezidivierendem Aszites bei progredienten Abdominalbeschwerden kam. Im Vordergrund standen Übelkeit, zunehmendes Spannungsgefühl und Kurzatmigkeit. Die Patientin wurde dann in der Casimasstudie mit insgesamt 230µg in v4 Gaben behandelt. Die Nebenwirkungen waren etwas Bauchschmerzen sowie Fieber bis 39, Schüttelfrost und Gelenkschmerzen. Nach der 4. Applikation k am es kaum noch zu Aszitesabflüssen über die Drainage. Bei der Patientin kam es dann im Mai 2009 zu einem Tumormarkeranstieg und zu einer progredienten Peritonealcarcinose im MRT was die Indikation zu einer weiteren Chemotherapie darstellte die im Juni 2009 mit Carboplatin-Monotherapie begonnen wurde. Im September 2009 konnte eine Remission bei sehr gutem Allgemeinzustand diagnostiziert werden. Daraufhin erhielt die Patientin einen 2. Zyklus Catumaxomab, den sie sehr gut vertrug und nur über leichte Bauchschmerzen und Übelkeit als Nebenwirkung klagte.

Wer sollte therapiert werden, wer sollte nicht therapiert werden? Catumaxomab steht für einen therapierefrektären und symptomatischen malignen Aszites zur Verfügung. Die Tumoren sollten möglichst EpCAM-positiv sein und die Patientin sollte in einem guten Allgemeinzustand sein, die eine prinzipielle weitere symptomatische oder medikamentöse Therapie zulässt. Befinden sich die Patientinnen in einem präfinalen Zustand mit stark reduziertem Allgemeinzustand sollte von einer Catumaxomab-Behandlung abgesehen werden. Gleiches gilt für einen Ileus oder einen symptomatischen Subileus sowie für Patientinnen, die eine akute oder latente Infektion haben. Alter, Laborparameter und Tumorbefallsmuster werden derzeit nicht als alleinige Entscheidungskriterien herangezogen. Grundsätzlich lässt sich Catumaxomab gut in das multimodale Therapiemanagement fortgeschrittener gynäkologischer Malignome einpassen. Die Catumaxomab-Gabe scheint weder das Ansprechen auf folgende Systemtherapien noch die operative Morbidität negativ zu beeinflussen. Die Intensivierung der Fortbildung auf dem Gebiet des Aszites ist dringend notwendig, ebenso wie Studienteilnahmen, z.B. an den Studien CASIMAS oder SECIMAS.

Literaturempfehlungen:

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  • Ruf P, Kluge M, Jäger M, Burges A, Volovat C, Heiss MM, Hess J, Wimberger P, Brandt B, Lindhofer H: Pharmacokinetics, immunogenicity and bioactivity of the therapeutic antibody catumaxomab intraperitoneally administered to cancer patients. Br J Clin Pharmacol 2010; 69: 617–625.

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  • Woopen H, Sehouli J: Current and future options in the treatment of malignant ascites in ovarian cancer. Anticancer Res 2009; 29: 3353–3359.