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DOI: 10.1055/s-0030-1269980
Nichts ist unmöglich! – innovative Kooperationsmodelle zwischen Praxen, zwischen Kliniken und zwischen Praxen und Kliniken
Derzeit bestehen folgende Trends in der Versorgung: 1. Sicherstellung der Gesundheitsversorgung wird Topthema; 2. Die Verzahnung ambulant-stationär wird für beide Seiten notwendig; 3. Annäherung der Kulturen „als Voraussetzung für Erfolg“ sowie 4. Beobachtung der Patientensteuerung durch Krankenkassen mit konsekutiver Zunahme von Direktverträgen und Zusatzversicherungen. Politisch werden durch die neue Bundesregierung verschiedene Ansätze ins Gespräch gebracht, die allerdings noch nicht sofort zielführend sein müssen, wie etwa der Vorschlag vom 28. April 2010 durch den Gesundheitsminister: Arztpraxen werden nicht neu besetzt. Die demographische Entwicklung der Ärzteschaft zeichnet sich derzeit durch einen Nachwuchsmangel aus, was letztendlich zu einem Praxiswertverfall führen kann und zu einer gebietsweisen Unterversorgung führen wird. In der Literatur sind harte Fakten bekannt: 41.000 Ärzte werden in den kommenden 5 Jahren in den Ruhestand gehen, davon über 34.000 Kollegen und Kolleginnen aus dem ambulanten Bereich. Das Durchschnittsalter der Vertragsärzte lag 1993 noch bei 46,6 Jahren, 2006 betrug es schon 51,1 Jahre. Die Zahl der berufstätigen Ärzte und Ärztinnen im Alter von 60 Jahren und darüber verdoppelte sich fast von 6,7% (1993) auf 12% (2005). Auch verschärfte sich das Problem der Alterstruktur und des Nachwuchsmangels durch Auswanderung, denn in den letzten 6 Jahren sind etwa 13.000 Ärzte ins Ausland gegangen (mit steigender Tendenz), wobei hierbei geregelte Arbeitszeiten, bessere Vergütungen, bessere familienpolitische und soziale Versorgung vor allem für Ärztinnen im Vordergrund steht. Ca. 2600 Ärztinnen und Ärzte wanderten allein im Jahr 2006 aus, was einem plus von 14% im Vergleich zu 2005 bedeutete. Wichtig ist, das von 11.660 Erstsemestern im Jahre 1997, dann im Jahre 2003 nur noch 6802 ihr AIP angetreten haben, was wiederum einen Verlust von 41,6% bedeutete. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Diskussion um die Schließung von Krankenhäusern bei gleichzeitigem Wachstumskurs von privaten Gesundheitszentren. Die Entwicklung der Gesundheitsversorgung in Deutschland ist sehr unterschiedlich, speziell was Ballungsgebiete und ländliche Gebiete betrifft. Deswegen besteht Handlungsbedarf. Die Perspektive stationärer Einrichtungen:
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Nachwuchsmangel bedroht Einrichtungen, zumindest aber Abteilungen
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Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen (zum Überleben notwendig in Ballungsräumen mit hohem Wettbewerb)
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Verlust der Attraktivität einer Kommune im ländlichen Bereich, wenn kein Angebot der stationären Versorgung vorhanden ist.
Daraus resultiert eine erhöhte Bereitschaft zur Kooperation. Die Perspektive ambulanter Praxen stellt sich folgendermaßen dar:
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Nachwuchsmangel bedroht Praxis und Praxiswert
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Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen und Kooperationen (zum Überleben notwendig in Ballungsräumen mit hohem Wettbewerb)
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Verlust der stationären Versorgung im ländlichen Bereich führt zum Attraktivitätsverlust für Nachfolger und damit zum Wertverfall der Praxis.
Auch dies erhöht die Bereitschaft zur Kooperation.
Es gibt folgende Kooperationsmöglichkeiten im ambulant-stationär Setting:
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Belegarzt, Konsiliararzt bzw. Kooperationsarzt
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Medizinische Versorgungszentren
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Kooperation Krankenhaus – Praxis
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Teilzulassung von Krankenhaus-Ärzten
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§116 SGB V – Zulassung für Krankenhäuser und 6. Direktverträge
I. Belegarzt/Konsiliararzt/Kooperationsarzt:
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Der Belegarzt kann ambulant und stationär tätig werden
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Der Konsiliararzt wird stationär und auf Anforderung tätig
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Das Modell des Kopperationsarztes ist noch in Diskussion
Hier erfolgt die Erbringung stationärer Leistungen durch einen ambulant tätigen Arzt auf Honorarbasis. Problematisch erscheint dies, wenn Leistungen primär durch Kooperationsarzt erbracht wird. Allerdings erscheint die Notwendigkeit solcher Kooperationsärzte sehr wahrscheinlich.
II. Eigenes ambulantes Angebot durch ein Krankenhaus-MVZ: Hier entstehen „Themen-MVZ“ mit Spezialisierung im Vordergrund wie zum Beispiel Diabeteszentren, Demenzzentren, Rückenzentren oder zukünftig auch „Zielgruppen-MVZ“ für Frauen, Männer oder Senioren. Die MVZ müssen als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zur bestehenden ambulanten Versorgung verstanden werden.
Vitale Erfolgsfaktoren für MVZ sind die Einbindung der Zuweiser, aber auch die interne Optimierung von Incentivierungsmodellen, Bonus/Erlebnisbeteiligung oder Gesellschaftsanteilen, da die motivationsbildenden Maßnahmen nicht unterschätzt werden dürfen. Die Vernetzung zwischen Einrichtung des Krankenhauses aber auch Praxen und MVZ ist in jeder Richtung offen. Für die derzeit bestehenden MVZ gilt Bestandschutz, weil derzeit der Eindruck entsteht, dass die aktuelle Bunderregierung keine Krankenhaus-MVZ wünscht. Eine Zulassung von MVZ erfolgt nur, wenn dieses mehrheitlich von Ärzten als Gesellschafter gehalten und von Ärzten geführt wird. Ein Krankenhaus-MVZ wird nur zugelassen im Falle einer Unterversorgung und wenn sonst keine ärztlichen Interessenten zur Verfügung stehen.
III. Kooperation zwischen Krankenhaus und Praxis: Dieses interessante Modell ermöglicht es sowohl Krankenhäusern als auch Praxen räumliche und personelle Kapazitäten selbst bei geringer Investitionsbereitschaft für einen neuen Standort aber bei Expansionsbereitschaft zu mobilisieren. Das Angebot stationärer und ambulanter Leistungen wird aufrecht erhalten. Eigene Ein- und Zuweisungen sind möglich. Die Auslastung sowie Nutzung räumlicher und personeller Überkapazitäten wird optimiert. Für Praxisinhaber sind keine Investitionen notwendig. Die Wertsteigerung der Praxis erfolgt an beiden Standorten, speziell, wenn sich zum Beispiel eine Praxis A in einem Krankenhaus als Praxis Standort B ansiedelt.
Die Aufgabe der bisherigen Standorte und die Verlegung einer Praxis in ein Ärztehaus am Krankenhaus erscheint derzeit auch optimal. Die Konzentration des Angebotes führt mit Sicherheit zu einem Werterhalt der Praxis, insbesondere bei Einzelpraxen. Der Erfolg dieses Modells ist abhängig von der fachlichen Ausrichtung, da bei Konkurrenz des Ärztehauses gegebenenfalls Zuweisungen ausbleiben.
IV. Teilzulassung als strategische Option: Hier können Kassenarztsitze unter bestimmten Bedingungen halbiert werden. Bestimmte Leistungen können im Krankenhaus z.B. im Rahmen einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft erbracht werden, so dass gleichzeitige Tätigkeiten stationär und ambulant möglich sind (man denke an ein Op-Zentrum).
V. Teilzulassung in eigener Vertragsarztpraxis: Ein Arzt oder eine Ärztin mit einer Sprechstunde in eigener Vertragsarztpraxis kann über eine Teilzulassung als Facharzt, z.B. für Gynäkologie, am Krankenhaus angestellt werden. Die Finanzierung der Praxis kann dann gegebenenfalls über das Krankenhaus laufen, wobei hier Darlehen oder Boni in Frage kommen, aber auch Vermietung und Verpachtung an den entsprechenden Arzt, wobei hier natürlich die entsprechenden Abhängigkeiten zu beachten sind, ebenso wie steuerliche und wirtschaftliche Vor- und Nachteile, wenn zum Beispiel Zweitpraxen gegründet werden. Grundsätzlich sollte von Beginn solcher Modellbildung Transparenz und Vertrauen herrschen, insbesondere Dinge wie Präsenspflichten und Vertreterregelungen sollten vorab klar abgestimmt werden.
§116b SGB V: Krankenhäuser sind unter bestimmten Voraussetzungen dazu berechtigt Patienten auch ambulant zu behandeln. Eine entsprechende Zulassung durch die zuständigen Landesbehörden ist für ausgewählte hoch spezialisierte Leistungen, seltene Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen möglich (§116b SGB V). Dazu zählen Krebserkrankungen, schwere Formen von rheumatologischen Erkrankungen, AIDS, Tuberkulose und multiple Sklerose (MS).
Das Krankenhaus muss einen Antrag auf Zulassung stellen, was gelegentlich heikel ist, zumal dies nur in Ergänzung und nicht in Konkurrenz zur ambulanten Versorgung sinnvoll ist. Gegebenenfalls sollten ambulante Praxen zur Umsetzung des §116 b SGB V eingebunden werden, wobei es sich empfiehlt, das bereits im Vorfeld eine Abstimmung zwischen Krankenhaus und ambulanten Praxen erfolgt.
VI. Direktverträge mit Krankenkassen: Zunehmend erfolgt die Einnahmen- und Ausgabenbalance der Krankenkassen über Direktverträge. Hier soll der Gesundheitsfonds eine außerordentliche Rolle spielen. Derzeit ist es so, dass die Krankenkassen vom Arzt abhängig sind, da die Einstufung eines zuschlagsfähigen Patienten nur über die ärztliche Diagnose erfolgt. Ziel ist es letztlich, ein sektorenübergreifendes bedarfs- und mobilitätsorientiertes Versorgungsnetzwerk zu schaffen, das einen Zusammenschluss und einen Vertragswettbewerb ermöglicht, über welche die Patientensteuerungen laufen. Man muss dabei beachten, dass die Patientensteuerung künftig durch Krankenkassen stärker denn je betrieben wird, dass die Teilnahme an Umsteuerungen der Patienten durch Krankenhaus und Praxis noch möglich ist und dass Versorgungsnetzwerke speziell für chronisch kranke Patienten/Patientinnen erstmals interessant für die Krankenkassen geworden sind. Die Verzahnung ambulant-stationär ist deswegen sinnvoll für die Ausrichtung auf spezialisierte Versorgungen. Für die Teilnahme an Direktverträgen ist empfehlenswert: 1. ein medizinisches Konzept; 2. spezialisierte Angebote und gute medizinische Behandlungspfade; 3. ein Netzwerk von Spezialisten (Zuweisernetzwerk für spezielle Patientengruppen bzw. Indikationen); 4. Wirtschaftlichkeitsanalysen und 5. innovative Bündelung der Verhandlungskräfte gegenüber den Krankenkassen.
Literaturempfehlungen:
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http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms (Statistisches Bundesamt).
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http://www.mvzberater.de/aspekte-mvz-recht.asp.
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http://www.gesundheitsrecht.info.
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http://dejure.org/gesetze/SGB_V/302.html.
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http://www.1a-krankenversicherung.org/nachrichten/20080709/453/zukunftsmodell-direktvertrag-krankenkassen-und-mediziner.