RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0030-1269977
„Frau Doktor, ich verwandele mich in meinen Vater!“ – Auswirkungen eines seltenen Eierstocktumors
Berichtet wird über eine 71-jährige Nullipara, die seit 1999 unter Alopecie generalisiertem Hirsutismus im Gesicht, der Brustregion, dem Rücken und den Schultern sowie an Veränderungen der Stimme litt. Seit 2005 trug sie eine Perücke und nahm selbst eine Vergrößerung der Akren, der Hände und der Füße sowie eine Vergröberung der Gesichtszüge wahr. Gynäkologisch lag bei ihr ein Uterus myomatosus vor. Die gynäkologische Anamnese war ansonsten unauffällig. An Voroperationen waren eine Harnstauungsniere mit Ureterplastik, eine Knie-TEP rechts sowie die Gallenblasenentfernung erwähnenswert. An internistischen Erkrankungen litt sie unter einem arteriellen Hypertonus, einem Schlafapnoesyndrom, einer generalisierten Arthrose und einem gut eingestellten Vorhofflimmern. Im Rahmen der Labordiagnostik fiel ein erhöhtes Testosteron von 5,04ng/ml sowie ein Androstendionwert von 7,34 E verbunden mit einem DHEA-Wert von 86,3 E auf, was den Verdacht auf einen hormonproduzierenden Tumor nahe legte. Der ACTH-Test sowie die Suppressionsbehandlung der Nebenniere mit 0,25mg Dexametason über 4 Wochen führte zu einer Erniedrigung des freien Androgenindexes sowie des Testosteronwertes. Beide lagen jedoch weit über dem Normbereich. Im MRT vom kleinen Becken sowie vom Abdomen zeigte sich kein Hinweis für ein Nebennierenrindenadenom wohl aber eine zystische Läsion in der rechten Ovarialloge. Einen Anhalt für einen malignen Tumor oder einen endokrinologisch aktiven Tumor gab es nicht. Im cMRT ließ sich kein Hypophysenadenom nachweisen. Bei der gynäkologischen Untersuchung und der Vaginalsonografie wurde das Fundusmyom bestätigt. Beide Ovarien waren sonomorphologisch unauffällig darstellbar. Bei der gynäkologischen Untersuchung imponierte neben der angegebenen Alopecie und dem auffälligen Behaarungstyp auch eine Klitorishypertrophie. Im Rahmen der weiterführenden Diagnostik erfolgte ein venöses Sampling aus den Beckenvenen, der Vena cava inferior, den beiden Nierenvenen, der linken suprarenalen Vene und den Ovarialvenen beidseits. Bei dem sogenannten SOVHS (Selective Ovarian Vein Catheterization and Hormonal Sampling) wird die Katheterisierung der rechten und linken V. ovarica (über die die V. cava rechts bzw. die V. renalis links) beginnend über die Femoralvene vorgenommen. Durch serielle Blutprobenentnahme entlang der gesamten Länge der Ovarialvenen mittels Mikrokatheter kann man die Lokalisation der Steroidhormonsynthese durch Konzentrationsunterschiede lokalisieren. Im Ergebnis ergab sich der Verdacht auf einen androgenproduzierenden Tumor, der mit großer Wahrscheinlichkeit im Bereich des rechten Ovars zu finden war, wobei auch ein zusätzlicher androgenproduzierender Befund im linken Ovar nicht eindeutig auszuschließen war. Nunmehr erfolgte die laparoskopische Adnexektomie beidseits, welches im Bereich des linken Ovars einen gutartigen 15mm großen intraovariellen Leydigzelltumor ergab. Im rechten Ovar fanden sich nur kleine Keimepithelzysten. Leydigzelltumore sind meistens benigne, weniger als 10% werden als bösartig beschrieben. Grundsätzlich handelt es sich meistens um kleine Tumore unter 4cm, die über 95% unilateral auftreten. Sie wachsen langsam und produzieren Androgene, was zu einer progressiven Defeminisierung und Virillisierung der betroffenen Frauen führt. Als Diagnostik bietet sich die selektive Katheterisierung der Ovarial- und Nebennierenvenen an. Postoperativ bedarf es meist keiner adjuvanten Therapie. Bei jungen prämenopausalen Frauen muss allerdings an eine Hormonersatztherapie gedacht werden. Die progressive Defeminisierung bildet sich innerhalb von 3–6 Monaten vollständig zurück, wobei allerdings die Klitorishypertrophie und die Stimmvervänderungen durchaus persistieren können.
Literaturempfehlungen:
-
Dickerson RD, Putman MJ, Black ME, Pinto KR, Diamond NG, Marynick S, Pinto AB: Selective ovarian vein sampling to localize a Leydig cell tumor. Fertil Steril 2005; 84: 218.
-
Moltz L, Pickartz H, Sörensen R, Schwartz U, Hammerstein J: Ovarian and adrenal vein steroids in seven patients with androgen-secreting ovarian neoplasms: selective catheterization findings. Fertil Steril 1984; 42: 585–593.
-
Nishiyama S, Hirota Y, Udagawa Y, Kato R, Hayakawa N, Tukada K: Efficacy of selective venous catheterization in localizing a small androgen-producing tumor in ovary. Med Sci Monit. 2008;14: CS9–12.
-
Jones MW, Harri R, Dabbs DJ, Carter GJ: Immunohistochemical profile of steroid cell tumor of the ovary: a study of 14 cases and a review of the literature. Int J Gynecol Pathol. 2010; 29: 315–320.
-
Yetkin DO, Demirsoy ET, Kadioglu P: Pure leydig cell tumour of the ovary in a post-menopausal patient with severe hyperandrogenism and erythrocytosis. Gynecol Endocrinol 2010 Jun 2 [head of Print].